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Basketball-Nerd mit Slam-Magazinen: Ex-BBL-Trainer Iisalo mischt die NBA auf

Tuomas Iisalo hat als Head Coach der Memphis Grizzlies seine ersten Siege gefeiert.
Tuomas Iisalo hat als Head Coach der Memphis Grizzlies seine ersten Siege gefeiert.Picture Alliance via AFP
Von einem Basketball-verrückten Jungen in Finnland zum Cheftrainer eines NBA-Teams: Die Geschichte von Tuomas Iisalo liest sich wie ein modernes Märchen – eines mit Slam-Magazinen, VHS-Kassetten und einer gehörigen Portion Basketball-Wahnsinn. Nach drei Niederlagen zum Auftakt holte er nun zwei Siege in Folge – und liegt mit den Memphis Grizzlies auf Kurs Playoffs.

Iisalo ist ein ruhiger, fokussierter Mann mit dem Auftreten eines Dozenten, der gerade seinen Hörsaal betritt. Der 42-Jährige war noch vor wenigen Monaten wohl kaum einem NBA-Fan ein Begriff, doch inzwischen ist er Head Coach der Memphis Grizzlies.

Dass Iisalo überhaupt Englisch spricht, hat er nicht etwa einem Lehrer oder einem Auslandsjahr zu verdanken, sondern Slam-Magazinen. Als Teenager durchforstete er mit seinem Bruder Joonas – inzwischen sein Assistenztrainer – unzählige Ausgaben des amerikanischen Basketball-Kultmagazins. Sie sogen nicht nur Vokabeln auf, sondern auch die Gesichter und Spielzüge ihrer NBA-Idole. Besonders Michael Jordan und sein 55-Punkte-Spiel gegen die Suns brannten sich tief ins Gedächtnis des jungen Tuomas ein.

Iisalos Weg verlief nicht über klassische NBA-Pipelines. Keine NCAA, keine Summer League. Stattdessen: Abstiegskampf in Deutschland. 2016 übernahm er die sportlich strauchelnden Crailsheim Merlins – ein Club, der am Rand der Bedeutungslosigkeit stand. Was folgte, war ein sportliches Wunder. Zwei Jahre später war Crailsheim zurück in der Bundesliga, 2021 in den Playoffs.

Dann kam Bonn, und dort eine Art von strukturiertem Chaos. Mit seinem Stil – inspiriert von Fußball-Startrainer Pep Guardiola und NBA-Legende Gregg Popovich – führte Iisalo die Telekom Baskets 2023 zum Titel in der FIBA Champions League. Es war der Ritterschlag – und gleichzeitig das Ticket für den nächsten großen Sprung.

Iisalo sorgt für Perfektion in Paris

In Paris baute Iisalo ein Basketball-Kunstwerk. 25 Siege in Folge, EuroCup-Champion, Trainer des Jahres – und das alles in einer einzigen Saison. Sein Geheimnis? System, Disziplin, ein Auge für Details. Jeder Pass hatte einen Sinn, jede Bewegung einen Zweck. Seine Spieler sprachen von Trainingseinheiten, die mehr an Militärakademien als an gemütliche Übungseinheiten erinnerten. Aber sie gewannen.

Im Sommer 2024 lockten die Grizzlies Iisalo dann mit einem Millionenvertrag in die NBA – als Assistent. Doch die turbulente Saison, Verletzungen, Niederlagen und interne Spannungen forderten ihren Preis. Acht Niederlagen in elf Spielen ließen das Management handeln. Taylor Jenkins, Franchise-Rekordtrainer, wurde entlassen – und Iisalo übernahm interimsweise. Mit nur neun Spielen vor den Playoffs. Willkommen in der NBA.

Ich glaube, am Anfang waren alle geschockt“, sagte Iisalo nüchtern. Doch die Spieler nahmen ihn an. Vielleicht, weil sie spürten, dass dieser Coach für mehr steht als nur Ansagen. Dass hinter dem zurückhaltenden Finnen ein analytisches Feuer lodert, das niemanden kalt lässt.

Mit dem Sieg gegen die Miami Heat zeigte der Finne Anpassungsfähigkeit: Kein Spektakel, kein Feuerwerk – aber ein disziplinierter, strukturierter Auftritt. Das Team wirkte, als hätte es wieder einen Kompass. Die NBA-Welt horchte auf. Wenige Tage später folgte ein Sieg gegen die bis dahin formstarken Detroit Pistons um Dennis Schröder.

Mehr als nur Interimstrainer?

Noch ist nicht klar, ob aus dem Interims- ein dauerhafter Cheftrainerposten wird. Offiziell gibt es keine Gespräche. Doch wer Iisalos Weg kennt, weiß: Er macht keine halben Sachen. Wo er ist, will er gewinnen. Und wenn die Grizzlies das auch wollen, könnten sie in ihm mehr sehen als nur eine Übergangslösung.

Für viele war Tuomas Iisalo ein Unbekannter. Für Paris ein Genie. Für Bonn ein Erlöser. Für Memphis? Vielleicht genau der Richtige zur richtigen Zeit. Der erste finnische Head Coach der NBA hat nicht nur eine Vision – sondern auch den Mut, sie umzusetzen.