Um drei Uhr klingelte der Wecker im Hause Wagner. Mitten in der Nacht schälten sich Franz und sein Bruder Moritz - damals nur zwei Jungs aus Berlin und keine Weltmeister - aus den Laken, setzten sich vor den Fernseher und bestaunten ihre großen Basketball-Idole. Jenseits des großen Teichs, in den weit entfernten USA, in den NBA-Play-offs - da vollbrachten die Stars wahre Heldentaten.
Plötzlich, nur wenige Jahre später, sind sie selbst mittendrin. "Ich freue mich wahnsinnig. Als Kind hat man diese Spiele geschaut", sagte Franz Wagner, nachdem er und sein Bruder zum ersten Mal überhaupt mit Orlando Magic das Ticket für die Meisterrunde gelöst hatten: "Jetzt ist jeder gespannt, die Atmosphäre zu spüren."
Doch sie wollen mehr. Wenn die Wagners ab Samstag (19 Uhr) die Cleveland Cavaliers in der ersten Play-off-Runde fordern, sind sie zwar nicht unbedingt Favorit, aber auch keineswegs chancenlos. Es könnte eine lange Best-of-seven-Serie werden.
Aus dem Archiv: Die besten Brüder der NBA-Geschichte
Olympia fest im Blick
Eine Serie, die einer Ouvertüre für einen heißen Wagner-Sommer gleichkommt. Erst die Knochenmühle der NBA-Play-offs, dann die Medaillen-Mission bei Olympia in Paris. Eine Absage für die Spiele nach der kräftezehrenden NBA-Spielzeit, das betonte Franz Wagner im ran-Interview, kommt jedoch nicht infrage: "Ich klopfe auf Holz, aber ich habe auf jeden Fall viel Bock, da auch dabei zu sein. Gleichzeitig ist mir auch bewusst, dass das eine große Belastung ist."
Bei solchen Belastungsspitzen kann es nur von Vorteil sein, mit dem eigenen Bruder in einem Team zu spielen. Dies sei "ein Cheatcode" für die beiden, sagte Franz. Die Wagners teilen alles: Siege, Niederlagen, ihre Wohnung, sogar ihre Bücher und die kleinen Neckereien des Alltags. Sie sind quasi ununterbrochen zusammen.
Orlando sorgt für Überraschung
Mittlerweile sind die beiden längst gestandene NBA-Profis, sogar Weltmeister wurden sie 2023 gemeinsam in Manila. Doch mit einer Play-off-Teilnahme Orlandos hatten vor der Saison nur wenige Experten gerechnet. Talentiert, aber unerfahren, hieß es. Umso überraschender war es, dass das Team von Trainer Jamahl Mosley teilweise sehr überzeugend durch die Eastern Conference marschierte und als Fünfter die Postseason klarmachte. Ein wichtiger Schlüssel ist das künftige Star-Duo aus Paolo Banchero (21) und eben Franz Wagner (22), das in den kommenden Jahren nur noch besser werden dürfte.
Während Moritz wie gewohnt als Energizer von der Bank kommt, wie er es auch im Nationalteam tut, bleibt Franz der Mann für die besonderen Momente. Mit teils herausragenden Leistungen im Winter - im Februar stellte er bei den Detroit Pistons seine Karrierebestleistung von 38 Punkten ein - löste er gar Diskussionen darüber aus, ob er vielleicht sogar für das Allstar-Game nominiert werden sollte. Er wurde es (noch) nicht, vielleicht auch wegen seiner schwächelnden Dreierquote (28,1 Prozent).
"Manchmal fällt es nicht, aber ich bin trotzdem relativ zufrieden damit, wie ich spiele. Ich bin weiter aggressiv und mache die richtigen Plays", sagte Wagner, der in seinem dritten NBA-Jahr seinen Punkteschnitt auf 19,7 Punkte verbesserte und fügte an: "Aber ich bin auch ein Mensch, der immer gut spielen und das Beste aus mir herausholen will." Genau dieses Mindset wird es in den Play-offs brauchen.