Gelsenkirchen - Nach fast einer Stunde mit vielen Fragen und ausführlichen Antworten fasste Frank Baumann sein Rezept für den schwer kranken Fußball-Zweitligisten Schalke 04 knapp und prägnant zusammen. "Weniger quatschen, mehr tun", sagte der neue Sportvorstand des tief gestürzten Traditionsklubs. Was bei der offiziellen Vorstellung naturgemäß nicht gelang, soll Programm für die nächsten fünf Jahre sein, in denen der Ur-Bremer Schalke wieder nach oben führen soll.
Dabei will sich der 49-Jährige durchaus an seiner alten Wirkungsstätte orientieren. "In zehn Jahren als Spieler in Bremen habe ich einen Trainer und einen Sportchef erlebt", erinnerte sich Baumann an die berühmte Werder-Kontinuität. Wie er denn den chronisch aufgeregten Königsblauen dieses Fremdwort beibringen wolle? "Dass es auf Schalke im Umfeld lauter und turbulenter zugeht, das macht diesen Verein aus", antwortete der Ex-Nationalspieler, "das darf uns nicht dazu bringen, Entscheidungen zu treffen, die kurzfristig Applaus bringen. Wir müssen Entscheidungen treffen, von denen wir überzeugt sind, dass sie dem Verein nachhaltig guttun."
Schwierige Trainerentscheidung
Wie schwierig das sein kann, dürfte Baumann schon gemerkt haben. Seine erste Entscheidung stieß bereits auf Kopfschütteln und Kritik: Statt eines zweitligaerfahrenen Trainers entschied er sich für den in Deutschland weitgehend unbekannten Miron Muslic.
"Es geht um Fachkompetenz und Führungskompetenz", betonte Baumann, die bringe der 42-Jährige, der zuletzt mit Plymouth Argyle aus der zweiten englischen Liga abstieg, mit. Und er passe zur Schalker Spielphilosophie, die er implementieren wolle: "Wir wollen den Gegner immer stressen, mit einer Mannschaft, die Fußball arbeitet, aber auch mutig nach vorne spielt."
Der gebürtige Bosnier, der nach seiner Flucht vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat in Österreich aufwuchs, war am Samstag als neuer Schalker Coach mit Vertrag bis 2027 bestätigt worden. Er soll nach Platz 14, der schlechtesten Platzierung in der 121-jährigen Vereinsgeschichte, die Gelsenkirchener wieder nach oben führen. Der Cheftrainer sei, so Baumann, "die wichtigste Position im Sport, darf aber nicht die mächtigste sein".
Neustart auf Schalke
Jetzt geht es darum, aus einer Mannschaft, die beinahe in die 3. Liga abgestiegen wäre, ein Team zu formen, das den geforderten Spielstil umsetzt und sich nach oben orientiert. Möglichst schnell soll mit Torhüter Loris Karius verlängert werden, dann sollen Zugänge Schalke "ein neues Gesicht" geben. Beim Trainingsauftakt am 21. Juni werde der Kader noch nicht der sein, "mit dem wir in die Saison gehen".
Baumann will "zumindest besseren Fußball, aber natürlich auch erfolgreicheren" sehen. Vom Aufstieg will er allerdings vorerst nicht reden. "Nach zwei Jahren Abstiegskampf in der zweiten Liga wäre es vermessen, von irgendwelchen großen Zielen zu sprechen", sagte er, "wir müssen demütig und realistisch sein und den Fokus auf das tägliche Arbeiten legen."
Und auf das bisherige Fremdwort Kontinuität. In seinen acht Jahren als Bremer Sport-Geschäftsführer verpflichtete er vier Trainer, zwei blieben längerfristig: Florian Kohfeldt und Ole Werner je dreieinhalb Jahre. Schalke hatte in derselben Zeit zehn Chef- und drei Interimstrainer. Und Muslic ist - inklusive Übergangslösungen und Rückkehrer - bereits der 37. Trainer seit der Jahrtausendwende.