Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da entwickelte sich Bayer Leverkusen endgültig zur unantastbaren Übermannschaft. Der Traum vom Titel rückte im März 2024 näher, die Werkself marschierte unaufhaltsam - und hatte das Verlieren quasi verlernt. Nun aber, rund zwölf Monate, drei Pleiten ohne eigenen Treffer und eine Horror-Woche später, landete Bayer schmerzhaft in der Realität. Die Aura der Unbesiegbaren ist verflogen.
"Die letzten zehn Tage haben wir uns ganz anders vorgestellt", gab Kapitän Lukas Hradecky zähneknirschend zu - nach einer Woche, in der Leverkusen so viele Spiele in Folge verlor wie noch nie unter Trainer Xabi Alonso. "Wir müssen wieder auf die Beine kommen", forderte Hradecky, und am Sonntag (19.30 Uhr/DAZN) beim VfB Stuttgart "wieder den Weg in den Alltag finden".
Match-Center: VfB Stuttgart vs. Bayer Leverkusen
Ob die geplatzten Träume, die ungewohnte Kritik an den jüngsten Entscheidungen des Trainers, aber auch der Ausfall von Ausnahmekönner Florian Wirtz - die große Frage ist: Wie steckt das erfolgsverwöhnte Team die Vielzahl an Rückschlägen weg? Die Saison sei noch "nicht vorbei", mahnte Alonso. "Die Champions League ist vorbei, aber im Pokal haben wir eine große Chance, wieder etwas zu gewinnen. Wir hören nicht auf."
0:3, 0:2, 0:2 - so lautet die jüngste Schreckensbilanz, drei Pleiten nacheinander kassierte Bayer zuletzt 2022, noch unter Gerardo Seoane. Binnen weniger Tage verspielte Leverkusen nun womöglich die Chance auf einen weiteren spannenden Endspurt. Als Halbfinalist sind die Rheinländer zwar Favorit auf den DFB-Pokal, ansonsten droht ein grauer Alltag. Die erneute Qualifikation für die Königsklasse ist Bayer kaum zu nehmen - und der Rückstand im Titelkampf nach dem Dämpfer gegen Werder Bremen wohl zu groß.
"Ein bisschen Hoffnung"
Am vergangenen Wochenende, als Leverkusen den Patzer des Spitzenreiters ungenutzt ließ, habe man aber gesehen, dass die Münchner "plötzlich und unerwartet" verlieren könnten, sagte Hradecky trotzig: "Das gibt uns ein bisschen Hoffnung." Es braucht jedoch in gewisser Weise den Zauber der Vorsaison, der aber längst verlorengegangen ist, um eine unerwartete Wendung im Meisterrennen herbeizuführen. Zumal das einstige Überteam ohne seinen Zauberer Wirtz irdische Züge offenbart.
Simon Rolfes klang wohl auch deshalb realistischer. In der Bundesliga wolle die Werkself nach dem Königsklassen-K.o. "wieder gewinnen, gut spielen und viele Punkte machen", betonte der Sport-Geschäftsführer: "Ob es dann reicht, um nochmal ranzuspringen, werden wir sehen."
Es spricht natürlich auch für die eindrucksvolle Entwicklung, dass Bayer das Verlieren nicht mehr gewohnt ist. Und: "Eine Enttäuschung wegzustecken", sagte Rolfes, sei ebenfalls "eine Qualität". Eine, die die einst unantastbare Übermannschaft nun unter Beweis stellen muss