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"Hat noch was im Köcher": Müller-Abschied schlägt Wellen - Plötzlich Hauptdarsteller?

Er hat noch nicht fertig: Müller könnte in seiner letzte Bayern-Saison eine tragende Rolle spielen
Er hat noch nicht fertig: Müller könnte in seiner letzte Bayern-Saison eine tragende Rolle spielenČTK / imago sportfotodienst / nordphoto GmbH / Hafner
Seinen ersten Arbeitstag nach dem erzwungenen Abschied vom FC Bayern begann Thomas Müller wie gewohnt. Um kurz nach zwölf Uhr fuhr der 35-Jährige am Trainingsplatz an der Säbener Straße vor, hupte zweimal und winkte den wartenden Fans zu, bevor er mit seinen Teamkollegen die Vorbereitung für den Saisonendspurt aufnahm. Es war ganz in seinem Sinne: Sein Abschied vom deutschen Rekordmeister nach der Klub-WM - eine Sache für den Sommer. Im Hier und Jetzt gelte "der volle Fokus" dem "Traum" von Meisterschale und "Finale dahoam" - wenngleich die Ausbootung der Vereinsikone auch am Tag nach der Bekanntgabe noch immer hohe Wellen schlug.

Der Rekordspieler, der trotz offensichtlicher Lust auf ein weiteres Jahr, keinen Vertrag angeboten bekommt? Das klang für viele so gar nicht nach "Mia san mia". Die sicher unpopuläre Entscheidung sei eine "für die Zukunft des FC Bayern" gewesen, versuchte Sportvorstand Max Eberl am Sonntag im Doppelpass bei Sport1 zu erklären: "Ich kann noch nicht alles sagen, was wir im Sommer vorhaben. Aber wenn man das Gesamtbild sieht, was wir vorhaben, sind wir zu dieser Entscheidung gekommen."

Es sei jedoch "nicht so, dass uns das am Allerwertesten vorbei geht", betonte Eberl, der finanzielle Gründe für die Entscheidung verneinte. Auch ihm persönlich sei der Beschluss "emotional sehr nahe gegangen. Bei so einer Legende tut das weh". Doch innerhalb des Klubs habe "Einigkeit in dieser Frage" geherrscht. Einigkeit darüber also, dass Müller für den FC Bayern nach 17 Profijahren verzichtbar ist.

Auf einmal Hauptdarsteller: Ersetzt Müller Musiala?

Und so ist es die Ironie des Fußballs, dass der offenbar nicht mehr benötigte Müller nun wieder benötigt wird. Nach dem Muskelbündelriss von Jamal Musiala, der wohl sechs bis acht Wochen ausfällt, dürfte Müller im Saisonendspurt plötzlich wieder eine Hauptrolle übernehmen - und dabei selbst dazu beitragen, seine letzten großen Ziele mit den Bayern zu verwirklichen.

Die Rückeroberung der Meisterschaft etwa, die angesichts von sechs Punkten Vorsprung auf Bayer Leverkusen bei noch sechs ausstehenden Spieltagen zunehmend wahrscheinlich scheint. Vor allem aber auch der Champions-League-Titel im eigenen Stadion. "Das Viertelfinale ist irgendwie die letzte Hürde, die wir bewältigen müssen, bevor ich so richtig anfangen kann, vom Finale Dahoam zu träumen. Wenn wir es ins Halbfinale schaffen, dann wird das Finale für mich ultimativ greifbar", schrieb Müller am Samstag in seinem Newsletter.

Dass er dabei helfen kann, bezweifeln auch seine Mitspieler nicht. "Thomas hat noch ein bisschen was im Köcher", sagte Mittelfeldchef  Hoshua Kimmich nach dem 3:1 (1:1) am Freitagabend beim FC Augsburg, bei dem Müller für den verletzten Musiala ins Spiel gekommen war, schmunzelnd. Torgarant Harry Kane würdigte den 35-Jährigen als "Vorbild" und prophezeite, Müller werde "von jetzt an eine wichtige Rolle spielen" bis zum Saisonende.

Mit Wir-Gefühl ins Halbfinale?

Dazu zählt auch die Klub-WM, bei der Müller im Sommer dank einer "Mini-Vertragsverlängerung" seine letzten Spiele für die Münchner bestreiten wird. Aber erst dann! "Nach einem Fehlpass gilt es", schrieb Müller anspielend auf die Unstimmigkeiten, "den Ball mit mannschaftlicher Geschlossenheit zurückzuerobern". Mia san mia statt Selbstzerfleischung! Genau das brauchen die verletzungsgeplagten Bayern im Viertelfinal-Hinspiel am Dienstag (21.00 Uhr/Prime Video) gegen Schwergewicht Inter Mailand.

In diesem werden in München nach dem Ausfall von Musiala insgesamt sechs Stammkräfte fehlen. Die Chancen, über Inter und Barcelona oder Dortmund ins Heimfinale am 31. Mai einzuziehen und Müllers letzten Titel-Traum zu erfüllen, schwinden. Doch die Bayern beschwören das Wir-Gefühl. "Man rückt enger zusammen", sagte Kimmich. "Mit der richtigen Einstellung und dem richtigen Fokus können wir jedem Team wehtun, da macht Inter keinen Unterschied", assistierte Kane selbstbewusst.

Trainer Vincent Kompany betonte: "Wir haben schon einige Male ohne Jamal gespielt. Die Jungs, die anfangen gegen Inter, werden Bayern-München-Spieler und talentierte Spieler sein." Wie Thomas Müller.