Bielefeld. Eine Stadt, die es laut eines weitverbreiteten Mythos angeblich nicht gibt, steht plötzlich im Zentrum der Fußballnation. Und das mit einer Mannschaft, die vor nicht allzu langer Zeit noch gegen den Abstieg in die Regionalliga kämpfte. Nun steht Arminia Bielefeld zum ersten Mal in der 119-jährigen Vereinsgeschichte im Finale des DFB-Pokals – und das als Drittligist.
Doch wer glaubt, die Ostwestfalen seien zufällig ins Olympiastadion gestolpert, hat ihre Saison nicht verfolgt. Was die Arminia 2024/25 auf die Beine gestellt hat, grenzt an ein sportliches Wunder – und ist doch das Ergebnis harter Arbeit, klarer Visionen und schier unbändigem Willen.
Bereits der Aufstieg in die 2. Bundesliga hätte gereicht, um auf der Bielefelder Alm eine Saison für die Vereinschronik zu schreiben. Doch die Mannschaft von Trainer Mitch Kniat wollte mehr. Heimstärke (nur drei Niederlagen in der SchücoArena), Offensivfreude (zehnmal drei oder mehr Tore) und eine eiserne Defensive (zwölf Zu-Null-Spiele) wurden zum Fundament einer Euphoriewelle, die vom Teutoburger Wald bis nach Berlin schwappt.
David schlägt gleich vier Goliaths – Der Weg ins Finale
Dass Bielefeld inzwischen auch Angstgegner für Bundesligisten ist, belegen die Namen auf ihrer Abschussliste: Auf Zweitligist Hannover 96 folgten die Bundesliga-Klubs Union Berlin, der SC Freiburg, Werder Bremen und schließlich im Halbfinale der amtierende Meister und Pokalsieger Bayer Leverkusen.
Nach dem Erfolg über die Werkself spielten sich in der beschaulichen 330.000-Einwohner-Stadt Bielefeld nie gekannte Szenen ab: Bis in die frühen Morgenstunden feierten Fans auf den Straßen, Kioske und Spätis konnten die gigantische Nachfrage an Kaltgetränken nur mit Mühe bedienen und die ohnehin längst über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Disco „Cafe Europa“ platzte aus allen Nähten.
Was wie ein Märchen klingt, wurde Realität durch den feinen Fuß von Marius Wörl, Julian Kanias Torinstinkt und die strategischen Fähigkeiten von Kapitän Mael Corboz. Dazu kommt Keeper Jonas Kersken, der mit seinen Paraden in jedem Pokalspiel zum unüberwindbaren Bollwerk wurde.
Mitch Kniat: Der Taktiker aus der Tiefe
Trainer Mitch Kniat, ein Mann mit Erfahrung im Schatten des Rampenlichts, ist der Architekt dieses Erfolgs. Noch vor wenigen Jahren coachte er den Fußballzwerg SC Verl, nun führt er einen Traditionsklub zu nie dagewesenen Höhen. Kein Wunder, dass sein Name längst in Bundesliga-Kreisen gehandelt wird.
Sein System ist nicht kompliziert, aber effizient: solide Viererkette, laufstarkes Mittelfeld und vorne ein Sturm, der aus wenig viel macht. Die Stars? Keine millionenschweren Individualisten, sondern eine verschworene Einheit, in der jeder für den anderen läuft, grätscht und kämpft.
Die letzte Hürde im DFB-Pokalfinale: Stuttgart
Mit dem VfB Stuttgart wartet im Finale nun ein weiteres großes Kaliber. Der Champions-League-Teilnehmer hat die Bundesliga-Saison durch einen Erfolg bei RB Leipzig am letzten Spieltag auf Rang neun abgeschlossen – und geht als klarer Favorit in die Partie. Doch im Pokal gelten andere Gesetze, wie Arminia spätestens seit der Sensation von Leverkusen weiß.
Und wer weiß: Sollte Mitch Kniat mit dem goldenen DFB-Pokal in den Händen in die Nacht von Berlin entschwinden, muss das Märchen über die Arminia auch in andere Sprachen übersetzt werden – denn dann spielt der frischgebackene Zweitligist Bielefeld im nächsten Jahr in der Europa League.
Zum Match-Center: Arminia Bielefeld vs. VfB Stuttgart