Eine der Schlüsselfiguren beim Aufstieg von Bodo/Glimt an die Spitze des norwegischen Fußballs ist Havard Sakariassen, der Sportdirektor des Klubs. Sein Job besteht aus einer Mischung von datengestütztem Scouting und einem Gespür für Spieler ist, die auf und neben dem Platz zur Glimt-Philosophie passen.
In einer Gesprächsrunde, die Flashscore, Sky Italia, Marca und So Foot exklusiv zur Verfügung gestellt wurde, sprach Sakariassen über die einzigartige Kultur, die der Verein aufgebaut hat, über die Gründe für die Rückkehr herausragender Spieler aus Top-Ligen und über den Spieler, der Bodo/Glimts nächster großer Star werden kann.
Wie arbeitet Bodo/Glimt beim Scouting von Spielern mit Daten? Und wie passt das mit der einzigartigen Kultur zusammen, die Sie hier haben, wo der Erfolg auf Zusammengehörigkeit und nicht auf Individualismus basiert?
"Bei den Daten sind wir, wie bei anderen Dingen auch, einen etwas anderen Weg gegangen als viele andere Teams. Es gibt viele Programme und Plattformen, die man kaufen kann, aber wir haben stattdessen mit drei Studenten zusammengearbeitet, die sich sehr für Fußballdaten interessierten und mit uns zusammenarbeiten wollten."
"Sie leiten jetzt das Unternehmen Fokus, an dem wir beteiligt sind. Wir haben ihnen geholfen, das Unternehmen von Grund auf aufzubauen. Es wird nicht nur von uns, sondern auch von vielen skandinavischen Mannschaften genutzt. Es ist benutzerfreundlich, nicht nur für Informatiker, sondern auch für Fußballer, jeder versteht es."
"Aber das ist nur ein Teil des Scouting-Prozesses. Wie Sie schon sagten, ist die Kultur im Verein auch für uns sehr wichtig und ein großer Teil unserer Erfolge. Und das lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Wir müssen jeden Spieler, den wir verpflichten, genauestens untersuchen. Wenn wir einen Fehler machen, muss das schnell behoben werden – entweder müssen sie sich ändern oder sie müssen gehen."
Anpassung an die nordische Mentalität
Die meisten Spieler im aktuellen Kader sind Norweger, aber es gibt auch eine große Gruppe von dänischen Spielern im Team. Glauben Sie, dass dies zum Teil daran liegt, dass es – neben der sportlichen Perspektive – für sie einfacher ist, sich an das lokale Umfeld und die Mentalität anzupassen?
"Es ist eine gute kulturelle Übereinstimmung. Wir haben die gleichen Werte, und wir sind beide sozialdemokratische Gesellschaften. Hier bei Bodo glauben wir, dass, was man in die Gruppe einbringt, auch zurückkommt. Die Spieler müssen dazu beitragen, die Mannschaft zu verbessern, und dann werden sie auch persönlich glänzen. Es ist leicht, norwegische und dänische Spieler dazu zu bringen, ähnlich zu denken, weil sie eine ähnliche Mentalität haben."
"Aber auch wenn der derzeitige Kader überwiegend aus Norwegern und Dänen besteht, haben wir auch mit Spielern aus der ganzen Welt große Erfolge erzielt. Wir haben Victor Boniface aus Nigeria geholt, und auch er hat sich sehr gut eingelebt."

Wir haben über die besondere Kultur und Mentalität von Bodo/Glimt gesprochen. Können Sie definieren, was das für Sie bedeutet?
"Wir wollen Spieler, die etwas für sich selbst erreichen wollen, dies aber nicht über die Ziele und Werte der Mannschaft stellen. Wenn Sie und ich um die Stürmerposition konkurrieren, möchte ich selbst erfolgreich sein, aber ich muss mich freuen, wenn Sie mich überholen und gut abschneiden."
"Es ist eine kollektive Kultur, das Team steht an erster Stelle. Letztendlich ist Fußball kein Individualsport. Wir müssen wie ein Formel-1-Team arbeiten. Die haben wahrscheinlich tausend Leute, aber sie arbeiten alle für eine Sache – um das Auto mit jeder Runde einen Sekundenbruchteil schneller zu machen. Wenn du nur für dich selbst arbeitest, gehörst du nicht hierher."
Wettkampf auf höchstem Niveau
Sie haben mehrere Spieler, die in den Top-5-Ligen gespielt haben, aber letztlich zurückgekehrt sind, um Sie ins Halbfinale der Europa League zu führen. Mannschaftskapitän Patrick Berg kehrte nach einem Jahr bei Lens zurück, Jens Petter Hauge war beim AC Mailand und gewann mit Frankfurt die Europa League, entschied sich aber dennoch, zurückzukehren.
"Wir haben einen Mannschaftsrat von sieben Spielern, mit denen wir uns jede Woche treffen, um alles rund um den Verein zu besprechen, und Patrick ist seit 2019 ein Teil davon, er ist unser Kapitän. Es ist wichtig, ihn hier zu haben, sowohl als Spieler als auch als Persönlichkeit und Führungsspieler. Es war eine klare Entscheidung, ihn zurückzuholen."
"Auch angesichts der Verbindung seiner Familie mit Stadt und Verein – sein Vater, seine Onkel und sein Großvater haben alle für Bodo/Glimt gespielt. Wir haben uns sehr gefreut, dass er zurückkommen wollte und in uns ein gutes Projekt für seine weitere Karriere sah. Er kann immer noch gegen die besten Mannschaften der Welt spielen und in seiner Heimatstadt bleiben."
"Jens kann in großen Spielen entscheidend für uns sein, wir glauben, dass er einen gewissen X-Faktor in seinem Spiel hat. Es sind nicht nur die beiden, es gibt viele Spieler, die im Laufe der Jahre zurückgekommen sind. Es gibt größere Vereine auf der Welt, mehr Geld zu verdienen, aber vielleicht hatten sie die beste Zeit ihrer Karriere, als sie für Bodo/Glimt spielten."
Glauben Sie, dass die Lage der Stadt und des Vereins dabei eine Rolle spielt? Es ist ja keine Großstadt, in der man von Paparazzi gejagt wird, sondern eine Stadt mit 55.000 Einwohnern weit oben im Norden am Polarkreis.
"Auf jeden Fall. Man hat ein gutes, entspanntes Leben, man hat hier seine Ruhe und kann sich auf den Fußball konzentrieren. Manchmal muss man hinausgehen, um zu sehen, dass das Gras auf der anderen Seite nicht grüner ist. Patrick, Jens, Hakon Evjen, Fredrik Bjorkan, diese Jungs haben ihr ganzes Leben hier verbracht, haben alle ihre Familien hier."
"Es ist schön, ins Ausland zu gehen, aber ich denke, dass es vielleicht am besten ist, dort zu leben, wo man hingehört. Die Journalisten und Experten in Norwegen sagen immer wieder, dass die Spieler ins Ausland gehen sollten. Aber ich finde es mutig, dass sie zurückkommen und sich für das Leben entscheiden, das sie führen wollen, und nicht das, was jemand anderes von ihnen erwartet."
Wird Mikkel Bro Hansen der nächste Top-Star?
Wie planen Sie die Transferfenster? Da Ihre Saison im Frühjahr beginnt und im Winter endet, fällt das Haupttransferfenster, in dem die meisten Vereine pausieren, auf den Höhepunkt Ihrer Saison.
"Für uns ist das kompliziert. Wir wollen im Januar niemanden verlieren, weil wir hoffentlich in Europa spielen, aber wir wollen auch jetzt niemanden verlieren, weil wir um den Titel kämpfen. Aber wir haben für jeden Spieler einen langfristigen Plan."
"Wenn wir einen Spieler verkaufen, müssen wir wissen, wie wir ihn ersetzen. Deshalb habe ich jetzt schon im Kopf, was wir im Januar machen werden. Im Sommerfenster kommt es oft vor, dass große Klubs ihr ursprünglich geplantes Ziel verfehlen und plötzlich Mitte August für einen Spieler zu uns kommen – wir müssen sie abwehren. Wir können jetzt nicht verkaufen, wir sind geschlossen."
"Aber das Gleiche gilt für die Verpflichtung von Spielern. Das perfekte Transferfenster für uns ist, wenn wir bereits fertig sind, wenn es öffnet. Bei uns wurde es vor einem Monat (Anfang Juli) geöffnet und wir waren in ein oder zwei Wochen fertig. Wir werden jetzt niemanden verkaufen oder kaufen, auch wenn das Fenster noch einen Monat läuft."
Norwegen ist international auf dem Vormarsch, Spieler wie Martin Ödegaard und Erling Haaland sind in der Premier League zu Weltstars geworden. Sehen Sie junge Talente, die in ihre Fußstapfen treten können?
"Ich sehe hier viele Spieler, die 16, 17 Jahre alt sind und das Potenzial haben, aber es braucht viel, um sehr gut zu werden. Wenn man Haaland mit 15 oder 16 Jahren gesehen hätte, wäre es schwer vorstellbar, dass er das werden würde, was er heute ist."
"Er war gut, aber nicht der Haaland, den wir heute kennen. Es bedarf einer Menge guter Entscheidungen seitens des Spielers, des Vereins, aber auch der Eltern und Agenten, die oft ein Hindernis darstellen können."

Sie haben mit dem Dänen Mikkel Bro Hansen einen äußerst talentierten jungen Stürmer in Ihrem Kader, der mit gerade einmal 16 Jahren bereits zur ersten Mannschaft gehört. Wie arbeiten Sie an seiner Entwicklung und wie planen Sie den Werdegang eines solchen Spielers?
"Die Herangehensweise an junge Spieler hat sich im Laufe der Zeit geändert. Früher waren wir sehr eng mit unserer Akademie verbunden, aber plötzlich ist die erste Mannschaft so weit aufgestiegen, dass eine Akademie in einer so kleinen Stadt nicht mehr mithalten kann. Es ist nicht einfach, ein 16- oder 17-jähriger Spieler zu sein, der in Bodo lebt. Man muss schon ein besonderes Talent sein, wie Mikkel Bro."
"Mit 16 kann er ohne Probleme jeden Tag mit der ersten Mannschaft trainieren. Es ist wirklich schwer, seine Zukunft zu planen. Das Schwierigste ist die Geduld. Die Spieler, aber auch die Eltern und Agenten müssen geduldig sein und sie auf natürliche Weise wachsen und sich entwickeln lassen. Ich denke, das ist ein großes Problem in Norwegen und wahrscheinlich auch weltweit."
"Eine weitere Herausforderung für uns ist, dass wir in der Champions League spielen wollen. Es ist wirklich schwer, einen 16-jährigen Spieler schon auf diesem Niveau in den Kader zu integrieren. Aber wenn man wirklich gut ist wie Mikkel Bro, hat man tatsächlich eine Chance, mitzuhalten."