Wenn man Bodö besucht, fällt immer wieder ein Wort, mit dem die Menschen die Stadt beschreiben: „einzigartig“. Die norwegische Stadt, etwa 80 km nördlich des Polarkreises gelegen, ist ein beeindruckender Ort, der sich harmonisch in die umgebende Natur einfügt und alles dafür tut, diese nicht zu stören.
Das brandneue Hotel, in dem wir übernachteten, besteht größtenteils aus Holz und thront auf einem Hügel, von dem aus man auf die umliegenden Kiefernwälder, Wanderwege und Fjorde blicken kann, die man besuchen möchte. Fährt man durch die Stadt, fällt auf, dass die meisten Autos elektrisch sind.
Doch es gibt etwas, das man noch häufiger sieht als die leisen E-Autos: Fenster und Balkone sind voller gelber und schwarzer Fahnen und Schals von Bodö/Glimt, dem Team, das in wenigen Jahren vom „Spielt ihr da oben auch Fußball?“ zum Bezwinger europäischer Topklubs wurde.
„Ich bin eigentlich kein Fußballfan, aber ich bin Bodö/Glimt-Fan. Hier kommt man nicht drum herum“, sagt Julie von unseren Gastgebern bei Visit Bodö mit einem Lächeln, als sie uns am Flughafen begrüßt. In den nächsten Tagen werden wir herausfinden, wie wahr diese Aussage ist.
Historischer Triumph
Um die Situation des Klubs einzuordnen: Eigentlich hätte es Bodö/Glimt nie so weit bringen sollen. Bodö ist eine Stadt mit nur 55.000 Einwohnern, und ihr Klub ist einer von nur wenigen, die überhaupt nördlich des Polarkreises Fußball spielen – und einer von nur zwei Vereinen aus Nordnorwegen in der höchsten Spielklasse des Landes.
In den ersten 100 Jahren seines Bestehens pendelte der Klub zwischen erster, zweiter und sogar dritter Liga und konnte zwei nationale Pokalsiege verbuchen. Das war alles.
Doch den ersten Pokalsieg sollte man nicht zu schnell abtun. „Vor 1975 wurden die Menschen aus Nordnorwegen oft diskriminiert. Selbst wenn man im Süden eine Wohnung mieten wollte, stand im Vertrag: ‚Keine Leute aus Nordnorwegen‘. Als Bodö/Glimt damals den Pokal gewann, änderte sich alles“, erzählt Orjan Heldal, der kaufmännische Leiter des Klubs.

Der historische Triumph wird nicht nur durch Fotos an den Wänden in Erinnerung gehalten. Als wir am Tag vor dem Spiel gegen Tromsö beim Training zuschauten, begegneten wir einer Gruppe älterer Herren, die längst in ihren 70ern und 80ern sind, ihren Kaffee genießen und die neue Generation beobachten.
„Das sind die Pokalsieger von ’75. Die kommen jeden Tag um Punkt 11 Uhr auf einen Kaffee und ein Schwätzchen vorbei“, sagt Heldal. Das ist nur eines von vielen Beispielen, wie eng die Gemeinschaft bei Bodö/Glimt ist – Stadt und Klub leben im perfekten Einklang.
"Wir haben aufs Gaspedal gedrückt"
Was Bodö/Glimts Entwicklung wirklich verändert hat, waren die Jahre rund um die Corona-Pandemie. 2018, im ersten Jahr unter Cheftrainer Kjetil Knutsen, stand der Klub kurz vor dem Abstieg in die zweite Liga. Anstatt den Trainer zu entlassen und hektisch umzusteuern, hielt der Verein an Knutsen fest und verlängerte seinen Vertrag. Im Gegenzug führte der Trainer das Team nicht nur zum Klassenerhalt, sondern holte in den letzten fünf Jahren vier Titel.
„Als Corona kam, haben alle auf die Bremse getreten. Wir haben aufs Gaspedal gedrückt“, sagt Frode Thomassen, Geschäftsführer von Bodö/Glimt, in einer Gesprächsrunde, an der auch Flashscore teilnahm.
„Wir haben niemanden entlassen, sondern allen gesagt, dass wir weitermachen. Wir sind mit dem Team nach Spanien geflogen, wo sie fast zwei Monate lang trainiert haben; der ganze Klub hat gemeinsam in Marbella gelebt. Als sie zurückkamen und die Liga wieder startete, holten wir 81 von 90 möglichen Punkten und haben alle Rekorde gebrochen“, erzählt er. „Das hat uns das Selbstvertrauen gegeben, dass dieser Ansatz auch langfristig funktionieren kann.“
Wie alle im Klub bleibt auch der Geschäftsführer bescheiden. Als er seine Position antrat, musste er den Vorstand fragen, ob er 80 oder 100 Trikots für den Fanshop bestellen soll, um Geld zu sparen. „Und wir haben fast nichts verkauft, wir hatten kein Geld“, erinnert er sich.

„Ich hoffe, wir sind ein Vorbild für andere Klubs, dass Erfolg im Fußball nicht nur vom Geld abhängt, wie viele denken. Denn wir haben hier mit nichts angefangen, aber wir hatten eine Gruppe von Menschen, die hart arbeiten und den Klub nach vorne bringen wollten,“ sagt Thomassen.
Seit dem plötzlichen Aufstieg 2020 und den Erfolgen im In- und Ausland, wie dem Einzug ins Halbfinale der Europa League in der vergangenen Saison, hat sich alles verändert. Glimt kann das bescheidene Aspmyra-Stadion mit seinen 8.000 Plätzen mehrfach ausverkaufen.
Deshalb entsteht nun ein neues, modernes Stadion für über 10.000 Zuschauer. Der Klub legt großen Wert auf Nachhaltigkeit und Stabilität – auf und neben dem Platz – und betont, dass das neue Stadion unabhängig finanziert wird, ohne das sportliche Projekt zu gefährden.
„Wir brauchen dringend ein neues Stadion, uns geht der Platz aus“, sagt Heldal, während er uns durch das aktuelle Stadion führt. „Der Raum für Pressekonferenzen war vor ein paar Jahren noch eine Bowlingbahn. Die Büros für unsere Akademie- und Frauenmannschaftstrainer waren bis vor zwei Wochen noch eine Fahrschule.“
Das Einzige, was die Ruhe stört
Den Vormittag des Spieltags verbrachten wir auf einem Boot (natürlich elektrisch), das uns zu den Fjorden brachte. Wir genossen die Ruhe der beeindruckenden, unberührten Natur rund um die Stadt und erlebten kostbare Momente der Stille.

Doch am Nachmittag erwacht das sonst so friedliche Bodö zum Leben. Je näher der Anpfiff rückt, desto mehr Menschen sieht man in gelben und schwarzen Trikots, Outfits und sogar handgestrickten Pullovern mit Bodö/Glimt-Emblem. Die sanften Geräusche des Windes werden von den Gesängen der Ultras übertönt.
„Ich weiß nicht, wo sich diese Leute die ganze Woche verstecken“, scherzt unser Gastgeber von Visit Bodö. Die Einheimischen lieben ihre Ruhe, aber am Spieltag lassen alle ihre Emotionen (und ihre Bierdeckel) raus – für ein paar Stunden zählt nur noch das Anfeuern von Bodö/Glimt.
Um 19 Uhr drängt sich fast ein Fünftel der Stadt im Aspmyra-Stadion, wo Bodö/Glimt gegen den Rivalen Tromsö antritt. Es ist das Derby der einzigen beiden Klubs aus Nordnorwegen in der höchsten Liga, auch wenn die Vereine geografisch nicht so nah beieinander liegen wie bei anderen Derbys. Tromsö musste nach Bodö fliegen – alternativ wäre es eine neunstündige Autofahrt gewesen.
Trotz der elektrisierenden Atmosphäre gelingt es Bodö/Glimt nicht, den Rivalen zu besiegen, und das Spiel endet mit einem 1:1-Unentschieden. Dennoch reicht dieser Punkt, um die Tabellenführung vor Viking zu übernehmen und sich auf das Niveau vorzubereiten, das sie in der Champions-League-Qualifikation gegen Sturm Graz erwartet.
Leistung vor Zielen
Auch wenn der Klub sich wünscht, sich für diesen Wettbewerb zu qualifizieren und einen weiteren Meistertitel zu holen, gibt es keine Liste von Zielen, die unbedingt erreicht werden müssen.
„Wenn man sich Ziele setzt und sie dann nicht erreicht, kann das beängstigend sein. Wenn man Erster werden will und am Ende nur Zweiter oder Dritter wird – soll man dann alles ändern?“, sagt Thomassen. „Wir arbeiten stattdessen mit Leistung und Ambition. Fragt man die Spieler nach dem nächsten Ergebnis, sagen sie nicht ‚Wir wollen gewinnen‘, sondern ‚Wir wollen eine gute Leistung zeigen‘.“
Es ist eine kleine, aber entscheidende Veränderung, die viel über die Kultur des Klubs aussagt. Thomassen bringt es auf den Punkt: „Die Art, wie Spieler und Trainer arbeiten, und wie der ganze Klub funktioniert – vom Fanshop bis in die Chefetage – ist immer gleich: Wie kann man morgen noch besser sein als heute?“
Im Kontext des europäischen Spitzenfußballs ist bei Bodö/Glimt alles einzigartig: die Kultur, der Ansatz, selbst die Lage des Klubs nördlich des Polarkreises. Irgendwie hat diese eng verbundene Gruppe von Menschen einen Weg gefunden, dass alles funktioniert.
Ob sie es in dieser Saison in die Champions League schaffen oder nicht – Bodo/Glimt bleibt auf jeden Fall ein Team, das man im Auge behalten sollte.