"Wir sind super happy, total euphorisch", schwärmt Nadine Keßler im Sportschau-Interview von den zurückliegenden dreieinhalb Wochen. Sie habe "so viele positive Emotionen, die mich weiter verfolgen werden". Keßler, ehemalige deutsche Nationalspielerin, ist Frauenfußball-Direktorin bei der Europäischen Fußball-Union (UEFA). "Zu sehen, wie sich die Schweizer in den Frauenfußball verlieben und wie viele Menschen international zum ersten Mal für den Frauenfußball angereist sind", sagt Keßler, sei einfach "unglaublich."
Nun wäre es leicht, den von der 37-Jährigen bemühten Pathos auf das zu schieben, was nun mal ihr Job ist: die EM als gelungenes Fest zu verkaufen. Doch die Zahlen geben Keßler recht. 29 der 31 Spiele ausverkauft, 233.000 aus anderen Ländern angereiste Fans - bei der vergangenen, schon sehr erfolgreichen EM in England vor drei Jahren sei diese Zahl laut UEFA-Angaben nicht mal halb so hoch gewesen. Für Keßler zeigen diese weiteren Bestmarken, "wie ehrlich das Interesse am Frauenfußball ist".
Dazu beigetragen haben auch die zahlreichen spannenden Partien. In Erinnerung bleiben etwa das irrwitzige Elfmeterschießen zwischen England und Schweden im Viertelfinale, als nur fünf von 14 Versuchen zu Treffern führten, der DFB-Krimi gegen Frankreich (6:5 i.E.) oder die filigran aufspielenden Spanierinnen. Dass mehr als die Hälfte der K.o.-Spiele erst in der Verlängerung oder im Elfmeterschießen entschieden wurden, ist ein Beleg für die sportlich zunehmende Dichte.
Die Schweiz jubelt über ein Turnier, das nachhaltig wirken soll. "Es gilt, diesen Schub weiter zu nutzen", betont der Schweizerische Fußballverband (SFV) gegenüber der ARD-Sportschau. Nun sollen auch die heimische "Liga, die Nachwuchsförderung und allgemein Breiten- und Spitzenfußball in der Schweiz" profitieren.
Vergabe für nächste Frauen-EM am 3. Dezember
Für die UEFA allerdings bedeutet das Turnier bei aller Euphorie ein Verlustgeschäft, wenngleich ein kalkuliertes. 41 Millionen Euro an Prämien hat der Verband ausgeschüttet, in England vor drei Jahren waren es nur 16. "Wir wollten ein Ausrufezeichen setzen", sagt Keßler, ohne die Prämien-Erhöhung hätte laut der Funktionärin ein Plus gestanden.
Genau das will Neuendorf 2029 erreichen. Zumindest eine schwarze Null schwebt dem 64-Jährigen vor, so formulierte er es in der Schweiz. Doch zunächst muss Deutschland den Zuschlag für das kommende Turnier erhalten, die Vergabe soll am 3. Dezember erfolgen. Kein Selbstläufer für den DFB, denn mit der gemeinsamen Bewerbung von Dänemark und Schweden sowie Italien, Polen und Portugal ist die Konkurrenz groß.
Sie alle verbindet ein Ziel: Die in der Schweiz gestreute Begeisterung konservieren - und in vier Jahren auf die nächste Stufe heben.