Um die Bedeutung von Diego Simeone in der jüngeren Geschichte von Atletico Madrid zu verstehen, muss man in die Saison 2010/2011 zurückblicken. Unter Trainer Quique Sanchez Flores wurde man Tabellensiebter und sicherte sich so ein Ticket für die Europa League. Angeführt wurde das Team von Sergio Agüero, der später bei Manchester City zur Legende wurde, und dem neuesten Profi-Tennisspieler, Diego Forlan.
Zur Saison 2011/2012 übernahm Gregorio Manzano den Klub aus der spanischen Hauptstadt, doch er scheiterte schnell. Das Ausscheiden aus der Copa del Rey sowie wechselhafte Leistungen in der Liga sorgten für die vorzeitige Entlassung im Dezember 2011. Man setzte fortan auf Simeone, den man bei Atletico noch aus seiner Zeit als aktiven Spieler kannte - 1995/1996 gewann man gemeinsam das Double. Insgesamt lief der Argentinier 169-Mal in rot und weiß auf.
Europa League, Copa del Rey und Supercopa
Das Umfeld der "Los Colchoneros" war skeptisch, doch Simeone überzeugte mit Fleiß und Zielstrebigkeit, die Kritikpunkte zu beseitigen. Er krempelte den Verein um und führte eine Struktur in den Verein, der den Fans über Jahre Erfolg einbrachte.
Mit Zeit, Geduld und Hilfe des genialen Radamel Falcao gelang Simeone gleich in der ersten Saison der Titel in der Europa League. Im Finale besiegte man Athletic Bilbao mit 3:0. Der Titel sollte fortan die Einstellung und Wettbewerbsfähigkeit der Mannschaft maßgeblich prägen.

Starke Verteidigung und effektive Stürmer
Simeones erste Jahre als Atletico-Trainer waren geprägt von defensiver Stabilität, die die Grundlage seiner Taktik war. Juan Miranda und Diego Godin waren der Fels in der Brandung, während Felipe Luis und Juanfran die außen absicherten. Offensiv sorgte Falcao für die nötigen Treffer: In 91 Spielen schoss er 70 Tore und bereitete neun weitere vor.
In Simeones Taktik benötigt es einen klaren Neuner, einen Stoßstürmer, der effektiv und torgefährlich agiert und die Defensive so entlastet. Falcao war genau dieser Spieler, ehe er 2013/2014 zur AS Monaco wechselte. Es begann die Zeit von Diego Costa. Der Spanier war hinter Falcao und Adrian Lopez nur Stürmer Nummer 3 und bekam nach Abgang des Kolumbianers die Chance sich zu beweisen. Costa fand sich schnell zurecht, leistete die von Simeone geforderten Aufgaben und ergänzte diese mit mehr Biss und "Drecksarbeit".
In der Ära Falcao gewann Atletico Madrid nicht nur die Europa League, sondern auch den europäischen Superpokal sowie die Copa del Rey 2012/2013.
Meisterschaft und Niederlage im CL-Finale
In der Liga dauerte es bis in die Saison 2013/2014, bis man in die Dominanz von Real Madrid und dem FC Barcelona hinein LaLiga gewann. Simeone prägte dabei das Motto "partido a partido" (zu Deutsch: Spiel für Spiel) - Eine Ideologie, die den Blick immer nur auf das nächste Spiel richtet und nicht darüber hinaus. Am Ende war es ein 1:1 beim FC Barcelona, das einem durch den Treffer von Godin die Meisterschaft sicherte.
Im Champions-League-Finale des selben Jahres sah lange alles nach einem weiteren Titel für Simeone und Co. aus, doch Sergio Ramos köpfte Real Madrid in der 90.+3 in die Verlängerung. Am Ende verlor man klar mit 1:4.
Neue Ära und Neuaufbau
Nach dem Erreichen des Champions-League-Finals und dem Titel in LaLiga kam es zum Erwarteten: Die europäischen Schwergewichte wilderten im Kader der Madrilenen. Diego Costa, Felipe Luis und Thibault Courtois (zuvor nur ausgeliehen) wechselten zum FC Chelsea und David Villa ging in die MLS. Es kam zum Umbruch: Jan Oblak, Mario Mandzukic, Antoine Griezmann und Angel Correa kamen zu Atletico.
Die Neuverpflichtungen fügten sich nahezu nahtlos in Simeones Taktik ein. Die Saison 2014/2015 begann mit dem Sieg im spanischen Supercopa und endete mit einer weiteren Qualifikation zur Champions League. Ein Jahr später erreichte man erneut das Champions-League-Finale, verlor dort jedoch abermals gegen Real Madrid. Dieses Mal fiel die Entscheidung im Elfmeterschießen.

Nach dem Abgang von Diego Costa wurde Griezmann ein immer größerer Teil in der Mannschaft Simeones. Der Franzose lobte seinen Trainer über die Jahre immer wieder öffentlich und berichtete zudem, dass der Argentinier einer der ersten Gratulanten nach dem WM-Titel 2018 war.
Griezmann, sein Star
Der Argentinier wurde zur Schlüsselrolle in der Karriere von Griezmann. Simeone brachte ihm seine Taktik bei, machte den Franzosen zum mitspielenden Stürmer, der sich fallen lässt, entwickelte seinen Torriecher und weckte den Sinn für Teamwork.
"Es ging alles sehr schnell", erzählt Griezmann in seiner Autobiografie "Derrière le sourire", die 2018 veröffentlicht wurde: "El Cholo (Simeone) sagte mir, ich sei viel mehr als ein Flügelspieler. Er hat mir auch gesagt: 'Je näher er dem Tor ist, desto mehr wird er als Fußballer explodieren'. Er wird dort eine Weile arbeiten müssen, um alle seine Eigenschaften zu nutzen: Richtungswechsel, kurze Diagonalen, Spiel zwischen den Linien, Spiel mit dem Rücken zum Tor und ein guter Schuss aus der Distanz. Hoffentlich entwickelt sich der junge, wichtige Spieler, der er ist, zu einem Mann und zu einem ebenso wichtigen Spieler."
Griezmann entwickelte sich zu einem Spieler, wie kaum ein anderer. Er ist zwar ein kreativer Spieler, stellt sein Team aber immer in den Mittelpunkt. Dieser Stil verhalf Atletico zum Erfolg, aber auch der französischen Nationalmannschaft. Didier Deschamps nutzte Griezmann als seine Waffe und gewann so die Weltmeisterschaft in Russland.
Simeones Vermächtnis wird also nicht nur bei Atletico Madrid gefeiert, sondern insgeheim auch in der französischen Nationalmannschaft. Aus der Feder des Argentiniers wurde Griezmann zum Weltmeister und einstigen Ballon d'Or-Anwärter.
Suarez kurzes Intermezzo von Erfolg geprägt
Ein weiterer Spieler, der wie die Faust aufs Auge ins System von Diego Simeone passte, war Luis Suarez. Der Uruguayer landete fast schon per Zufall in der spanischen Hauptstadt, schoss Atletico gemeinsam mit Correa aber zur Meisterschaft 2021/2022.

Suarez erzielte 21 Tore und gab drei Vorlagen in einer denkwürdigen Saison. Die Comebacks, das Leiden (sogar am letzten Spieltag) und der Kampf der Colchoneros bescherte den Fans eine unvergessliche Trophäe, die zugleich Simeones achter Titel als Trainer der Rot-Weißen wurde.