Gregor Baumgartner absolvierte als Spieler 513 Matches für die Black Wings Linz und die Vienna Capitals Österreichs höchster Eishockeyliga, der nunmehrigen Ice Hockey League. Nach der Karriere blieb der 45-jährige Steirer dem Eishockey erhalten. Er war General Manager der Black Wings, ist als Experte für den ORF tätig und aktuell auch Cheftrainer sowie Sportdirektor der Sharks Gmunden.
Gregor, wie geht es dir persönlich?
Danke, gut. Auch wenn ich gestehen muss, dass die Einsätze als Co-Kommentator im ORF - vor allem, wenn es so wie bei Linz-Spielen ständig in die Overtime geht - durchaus anstrengend sind. Die Dreifach-Overtime im ersten Halbfinale gegen den KAC war ein Hammer. In der Früh bin ich dann aus Kärnten wieder nach Oberösterreich gefahren. Dementsprechend war es eine kurze Nacht.
Du sprichst es bereits an. Die Black Wings und die 99ers haben im Viertelfinale für einen Weltrekord gesorgt, sechs Overtimes in Folge bestritten. Die Linzer haben im Halbfinale gegen den KAC gleich drei Overtimes lang die Nerven strapaziert, um in der Serie auswärts mit 1:0 in Führung zu gehen. Was macht die Linzer in den Playoffs so stark?
Grundsätzlich ist es meistens so, dass sich in den Playoffs Dynamiken entwickeln, wo sich dann zusätzlich das Selbstvertrauen natürlich stärkt und vor allem das Vertrauen in den Gameplan, den sie in den letzten Wochen jetzt schon angewendet haben. Das war auch im ersten Spiel gegen Klagenfurt so, dass man einfach defensiv kompakt steht und, dass man konsequent versucht, keine unnötigen Scheibenverluste zu produzieren. Vor allem mit diesem kompakten Spiel hat sich der KAC extrem schwergetan, weil sie den Linzern ihr gewohnt schnelles Spiel nicht aufzwingen konnten. Ein starker Rückhalt mit Torhüter Rasmus Tirronen rundet das Ganze dann ab.
Die Saison in der Ice Hockey League 2024/25 neigt sich dem Ende zu. Wie fällt dein bisheriges Fazit aus?
Ich finde, dass sich die Liga in den letzten Jahren immer wieder gesteigert hat, sei es organisatorisch oder auch am Eis. Das Niveau ist sehr gut und man sieht, dass die Fans das Produkt sehr gut annehmen. Sie strömen wieder in Massen in die Halle, wie es schon vor Corona war. Das ist sehr positiv. Linz ist da sicher ein super Beispiel, aber auch der KAC war bereits 20 oder 25 mal ausverkauft. Das ist das Positive und auch das Niveau der Liga ist gut, was sich in unseren Leistungen des Nationalteams im Allgemeinen auch widerspiegelt. Von dem her finde ich es gut und vor allem ist es eine spannende Liga.
Es ist bis zuletzt um die Top-6 gekämpft worden und auch hinten um den Einzug in die Pre-Playoffs. Die Vienna Capitals haben sich einen engen Kampf mit den Pioneers Vorarlberg geliefert. Ich finde, dass es im Allgemeinen genau das ist, was wir als Fans und Zuschauer sehen wollen, dass es relativ knappe Resultate gibt und, dass in der Tabelle immer wieder um die Platzierung gekämpft werden muss.

Welche Vereine haben dich überrascht? Von welchen Vereinen hättest du dir mehr erwartet?
Es ist sehr schwierig, weil sich in den Sommerpausen immer relativ viel tut. Überraschend war, dass Fehervar lange ganz gut vorne mitgespielt hat und sich aber relativ rasch wieder aus den Playoffs verabschiedet hat, obwohl ich sie als gute Mannschaft gesehen habe.
Graz war heuer so eine Mannschaft, wo man spekuliert hat, wo die Reise hingeht. Es war natürlich möglich, dass es nicht bis ganz nach vorne reicht, wenn man ein Teamgefüge zusammenwirft und man nicht weiß was rauskommt.
Bei den üblichen Verdächtigen, wie Salzburg, Bozen und KAC, war es keine Überraschung, dass sie vorne mitspielten. Villach hat sich wieder ganz gut etabliert.
Ein bisschen enttäuschend waren heuer sicher die Caps, weil man sich natürlich erhofft hatte, nach dem letzten schwierigen Jahr, dass heuer wirklich ein Riesenschritt nach vorne möglich ist. Wie man sieht, ist das aber kein Wunschkonzert und so ein Wiederaufbau braucht einfach seine Zeit. Diese Zeit muss man ihnen geben und man wird sehen, ob sie sich nächstes Jahr wieder einen kleinen Schritt nach vorne arbeiten können.
Neuere Teams, wie die Pioneers Vorarlberg und Innsbruck, tun sich nicht leicht, mit den Top-Teams immer Schritt zu halten. Die Gründe liegen im Budget und am Mangel an österreichischen Qualitätsspielern. Diese Spieler gibt es natürlich nicht wie Sand am Meer und sind demnach heiß umworben. Vereine, die budgetär nachhinken haben es dann sehr schwer mitzuspielen. Man hat es bei Ljubljana gesehen, die sich mit Hilfe einer Finanzspritze im Mittelfeld etablieren konnten.

Du warst in Linz als Spieler aktiv, wurdest mit ihnen Meister und warst während der Covid-Pandemie auch General Manager. Vor allem die Zeit als General Manager war nicht einfach. Wie blickst du in der Retrospektive darauf zurück?
Die Corona-Zeit sowie dieser Vorstandswechsel bzw. Vorstandsstreit im Hintergrund hat meine Situation nicht erleichtert. Zum Leidwesen meiner Person war auch, dass sich dann die diversen Gruppierungen auch bei den Fans und Sponsoren ausgewirkt haben, und es relativ schwierig war zu arbeiten war. Vor allem als Neuling, als neuer Manager in dem Sinn, macht man natürlich auch nicht alles richtig. Viele Fehler wurden doppelt bestraft. Nicht nur von der Community, sondern auch in den Resultaten.
Baumgartner wäre "gerne länger" in Linz geblieben
Es war eine super Erfahrung und es war schade, weil ich gleich außerhalb von Linz wohne. So einen tollen Job vor der Haustür zu haben war spannend und schön. Ich hätte ihn gerne länger gemacht, aber für das hätte es noch mehr Zeit gebraucht. Die Geduld hat leider gefehlt und die sportlichen Resultate waren einfach nicht da. Trotz allem habe ich sehr viel daraus lernen dürfen und bin dankbar für die Zeit bei den Linzern.
Hast du Interesse, wieder als General Manager im Eishockey tätig zu sein?
Ich würde es grundsätzlich nicht ausschließen, weil wenn man sowas einmal gemacht hat und Erfahrungen gesammelt hat, würde man gerne die Dinge, die man zu dem Zeitpunkt nicht richtig gemacht hat, anders und besser machen. Ob sich solche Möglichkeiten nochmal auftun oder nicht, kann man schwer sagen. Ich versuche mich einfach im Allgemeinen weiterzubilden und Fortschritte zu machen - sei es beruflich oder sportlich. Die Position des General Managers beinhaltet nicht nur den Sport.
Eines der größten Probleme war, dass unser Hauptkampf auf der wirtschaftlichen Seite geführt wurde, damit man überlebt. Ich würde mich gerne, wenn ich sowas nochmal machen würde, entweder auf den Sport oder das Wirtschaftliche fokussieren. Deswegen würde ich sagen, dass es sicher eine tolle Herausforderung wäre, wenn sich das nochmal ergibt und ich würde wahrscheinlich nicht Nein sagen.
Wechseln wir von der ICE eine Etage höher - zum Nationalteam. Die WM 2025 beginnt am 9. Mai 2025. Wie zufrieden bist du mit der jüngsten Entwicklung des Nationalteams unter Teamchef Roger Bader?
Das ist eine Frage, die man in vielen Facetten beantworten müsste. Die Entwicklung im österreichischen Eishockey ist ein eigenes Kapitel. Da gibt es noch viel Aufholbedarf. Es hat sich nicht drastisch viel verändert. Vor allem im Nachwuchsbereich und in der Qualität der Arbeit, die dort geleistet wird. Der Ressourceneinsatz ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, seien es monetäre Ressourcen oder die Qualität der Trainer.
Österreich soll "langfristig" Eishockey-Nation werden
Der zweite Part ist immer das A-Nationalteam, das Aushängeschild des österreichischen Eishockeys. Ich habe immer wieder betont, dass das Bild immer wieder etwas manipuliert wird. Sehr viele Spieler, die in den Nationalteams agieren und Schlüsselspieler sind, spielen nicht nur im Ausland, sondern wurden auch zum Teil im Ausland ausgebildet. Nichtsdestotrotz ist es auf jeden Fall eine positive Werbung, wenn das Nationalteam wie bei der WM im letzten Jahr tolle Leistungen abliefert und gute Resultate einfährt.
Wichtig ist, dass man sich langfristig als A-Nation etabliert. Das hat man in den letzten Jahren ganz gut gemacht. Somit muss man auch sagen, dass die Entwicklung auch positiv ist. Dennoch hinterfrage ich durchaus kritisch, ob man auf diesem Niveau nachhaltig weiterarbeiten kann, wenn man keine breitere Masse zum Eishockey bringt, beziehungsweise diese dann auch besser ausbildet.
Was traust du dem Nationalteam bei der WM 2025 zu?
Ich glaube, es wird schwieriger, weil die Erwartungshaltung eine andere ist. Man hat gesehen, dass die Euphorie, die im Frühjahr ausgelöst wurde und dann ein bisschen über den Sommer getragen wurde, allmählich wieder verflogen ist. Die gilt es im Mai wieder neu zu entfachen. Wenn man sich unsere Gruppe anschaut, dann gibt es durchaus wieder die Chance, überraschende Siege einzufahren oder sogar aufs Viertelfinale zu schielen.
Aber das ist das übliche Thema. Man kann einige Teams bezwingen, aber es sind keine Pflichtsiege. Wir wissen auch, dass die kleinen Nationen hart dafür arbeiten, besser zu werden.
"Noch viel Potenzial" in Ausbildung von Talenten
In diesem Jahr haben wir die Slowenen dabei, wo man immer ein bisschen auf einen Sieg spekuliert. Gegen Frankreich und Lettland rechnet man sich definitiv Chancen aus. Slowakei ist fragwürdig und dann gibt es die Top-Nationen. Das war bei den Weltmeisterschaften schon immer so.
Letztes Jahr gab es den Sensationssieg gegen Finnland und ein super Comeback gegen Kanada. Solche Ausreißer sind für das Eishockey super, aber nicht dauerhaft zu erreichen, wenn man in Summe nicht nachhaltiger arbeitet. Wir haben jetzt zum Beispiel wieder die Einbürgerungs-Diskussion bei den Torhütern. Diese Diskussionen entstehen dadurch, weil wir einfach immer noch nicht genug Torhüter-Talente haben. Ob das jemals möglich ist, wird sich zeigen.
Wenn das nicht möglich ist, dann muss man sich auf die Qualität konzentrieren. Was ich keineswegs sagen möchte, ist, dass schlechte Arbeit geleistet wird. Ich sehe da einfach noch viel Potenzial.
Mit Marco Rossi und Marco Kasper sind aktuell zwei Legionäre in der NHL tätig. Wie analysierst du ihre Leistungen?
Erstens muss man deren Leistungen sehr hoch einstufen, weil es extrem schwierig ist, überhaupt in der NHL zu spielen. Geschweige denn, sich dort auf Top-Positionen zu etablieren. Ich glaube, beide haben heuer den Durchbruch geschafft. Beide Spieler haben im Schnitt Eiszeiten zwischen 16 und 20 Minuten. Da reden wir schon von ordentlicher Eiszeit. Sie punkten auch regelmäßig und spielen grundsätzlich bei sehr guten Teams. Wobei Minnesota in der Entwicklung ein bisschen weiter ist als Detroit.
Bei Marco Rossi haben wir gewusst, dass er auf der Center-Position seine Zeit brauchen wird. Er hat sich in dieser Saison vor allem mit den Top-Spielern, mit denen er zusammenspielen darf, voll etabliert. Punktetechnisch hat er sich wieder gesteigert und die Saison ist noch nicht zu Ende.
"Marcos" als Aushängeschilder
Marco Kasper wurde mit dem Trainerwechsel von der Center-Position auf den Flügel beordert. Seitdem punktet er regelmäßig. Er ist ein Offensivspieler und soll auch auf diesen Positionen spielen. Er steht jetzt bei 13 Toren, was wirklich sensationell ist. Vielleicht schafft er es sogar noch, die 15- oder 20-Tore-Marke zu knacken. Das wäre für die erste volle Saison top.
Es ist aber so oder so schon sehr gut für das österreichische Eishockey, weil die beiden Marcos unsere Aushängeschilder sind, mit denen man enorm gute Werbung machen kann. Der einzige Nachteil an diesen Geschichten ist immer, dass sie eher selten zum Nationalteam kommen können, wenn sie mit ihren Teams weit kommen.
Nichtsdestotrotz sage ich es auch immer in meinem Social Media-Format "Walk & Talk", dass diese Spieler für die Eishockey-Entwicklung in Österreich sehr wertvoll sind. Wir bekommen mit diesen Erfolgsgeschichten medial mehr Aufmerksamkeit und können in diverse Bereiche vordringen, um dann vielleicht noch mehr Unterstützung zu bekommen.
Was traust du den Beiden in ihrer Karriere noch zu?
Ich glaube, dass Marco Rossi durchaus auch eine Vereinsikone werden kann. Bei ihm ist es jetzt schon die zweite Saison, in der er über 20 Tore macht. Diesbezüglich ist er in einer Liga mit den Topstars. Bei ihm gilt es einfach, die bisherige Entwicklung fortzuführen, und jedes Jahr noch ein bisschen besser zu werden. Das wird er automatisch durch die vielen Spiele und durch das Können, das er hat.
Bei Marco Kasper ist es heuer die erste Saison, in der er sich etablieren konnte. Jetzt gilt es, das immer wieder zu bestätigen. Ich habe beide im Nachwuchs-Nationalteam begleiten dürfen. Sie sind sehr zielstrebig und haben immer genau gewusst, wo sie hinwollen. Und ich denke, sie verstehen, dass ihre Entwicklung jetzt noch nicht zu Ende ist.
Kommen wir nun zu dir persönlich. Du bist sehr umtriebig und führst mit “GetBetter“ auch ein eigenes Unternehmen.
Genau. Bei GetBetter schließt sich der Kreis. Ich möchte mich einfach immer weiterentwickeln. Und ich möchte Menschen unterstützen, die sich ebenfalls stets weiterentwickeln wollen - egal ob sie Sportler, Manager oder Angestellte sind. Ich bringe meine Erfahrungen aus Sport und Wirtschaft ein, um Leute beim Erreichen ihrer Ziele zu begleiten. Da gibt es sehr viele Aspekte, bei denen man ansetzen kann und wo ich sehr gerne meine Learnings teile.
Du bist auch erfolgreicher Coach der Sharks Gmunden. Was hat dich am Sharks-Trainerposten in Österreichs dritter Eishockeyliga gereizt?
Die Sharks haben mich bereits 2016 gefragt, ob ich im Nachwuchs helfen kann. Ich habe dann begonnen, Kinder auszubilden und die Trainer zu unterstützen. Nach der Manager-Tätigkeit bei den Black Wings sind sie wieder an mich herangetreten und haben gefragt, ob ich ihnen helfen könnte, den Verein noch nachhaltiger aufzubauen und in der UEL zu etablieren. Der Reiz war, freie Hand zu haben und etwas aufbauen zu können.
Eishockey als Berufsbegleitung
Diese freie Hand hat mich angespornt, mir das Ganze mal anzuschauen. Man ist nie allein, ich genieße eine super Unterstützung und wir sind auf einem gutem Weg. Wir sind mit dem heurigen Meistertitel in der Entwicklung etwas weiter als gedacht. Haufenweise Titel zu gewinnen, ist aber nicht das primäre Ziel, das wir anstreben.
Titel sind zwar sehr positiv, aber wir wollen uns nachhaltig und langfristig als gute Organisation in der Liga etablieren. Wir wollen wirtschaftlich breiter aufgestellt sein, die Bekanntheit der Sharks im Salzkammergut steigern und eine Anlaufstelle für Spieler sein, die aus einem ICE-Profikader ausscheiden oder es knapp nicht dorthin schaffen. Wir wollen ihnen eine Möglichkeit bieten, auf einem guten Eishockey-Niveau zu spielen und eine Berufsausbildung oder ein Studium zu absolvieren.
Die Sharks galten nicht als der große Favorit auf den Titel. Was waren die entscheidenden Puzzlesteine, dass ihr den Titel nach Gmunden holen konntet?
Ehrlicherweise muss man sagen, dass wir etwas Glück hatten, weil die Steel Wings nicht an der Alps Hockey League teilgenommen haben. Wir haben dadurch ein paar Spieler bekommen, die gerade auf dem Weg in die Alps Hockey League waren. Ein wichtiger Puzzlestein war Marc-Andre Dorion, der unseren Youngsters mit seiner Erfahrung helfen konnte und sehr gute Leistungen gebracht hat.
Ich habe das Glück, dass ich Torhüter Luka Gracnar als meinen Freund bezeichnen darf, der uns seit letztem Jahr in Gmunden geholfen hat, um das Teamgefüge zu stärken, und vor allem einen guten Rückhalt im Tor zu haben.
In Summe hat es die Mannschaft geschafft, sich gegenseitig so weit zu bringen, dass sie füreinander kämpft und spielt. Das ist einfach die Lösung in den Playoffs, egal auf welchem Niveau. Es ist wichtig, dass die Mannschaft selbst eine Dynamik entwickelt. Das kann man heuer auch bei den Black Wings klar erkennen.
Wir haben das geschafft und deswegen ist unsere Reise auch bis zum Ende gegangen. Wir haben den Titel geholt, weil sich die Burschen untereinander gemeinsam auf dieses Ziel geeinigt haben und jeder für jeden gekämpft hat.
Wirst du auch nächste Saison Trainer der Sharks sein?
Ich denke ja. Die Saison ist zwar gerade erst zu Ende gegangen, aber wahrscheinlich wird die Reise weitergehen. Es macht Spaß in Gmunden. Man weiß nie, welche Türen sich irgendwo öffnen. Im Normalfall werden wir aber versuchen, diesen Organisationsaufbau weiterzuführen.