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Olympia in Deutschland: München vor Bürger-Abstimmung am Scheideweg

Werden 2036, 2040 oder 2044 wieder Olympische Spiele in München stattfinden?
Werden 2036, 2040 oder 2044 wieder Olympische Spiele in München stattfinden?ČTK / imago stock&people / Eibner-Pressefoto/Franz Feiner

Auch das ikonische Olympiastadion spricht. Pünktlich zur Abstimmung am 26. Oktober, bei der die 1,1 Millionen wahlberechtigten Einwohner von München entscheiden sollen, ob sich ihre Stadt wieder um Olympische Spiele bewerben soll, redet es auf dem Instagram-Kanal des Olympiaparks jetzt "Klartext". Die Schlussfolgerung daraus: "Ich wurde gebaut, um Geschichte zu schreiben. Ich bin bereit, wieder Geschichte zu schreiben."

Bereit sieht sich auch der DOSB, der für die Rückkehr Olympischer Spiele nach Deutschland 2036, 2040 oder 2044 im Vorfeld der Bürgerbefragung in München trommelt, was das Zeug hält. Bereit sieht sich auch Bayern, auch die bayerische Landeshauptstadt. Das Thema ist Chefsache. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, sein Innen- und Sportminister Joachim Herrmann und Münchens OB Dieter Reiter sind schier allgegenwärtig mit ihrem Plädoyer für ein "Ja".

Seit Mittwoch werben nun auch zahlreiche Unternehmen über das Netzwerk LinkedIn für Olympia in Deutschland. DOSB-Präsident Thomas Weikert nennt die Initiative "ein starkes Signal aus der Wirtschaft", es gebe einen "enormen Rückenwind für unser Ziel, eine Bewerbung abzugeben, hinter der das ganze Land steht". Allerdings: Konkrete Zusagen oder Unterstützung in Form finanzieller Zuwendungen der Privatwirtschaft werden nicht verkündet.

Ein Event für die Großsponsoren?

Tatsache ist: Die Bewerbungen der vier Kandidaten - München, Berlin, Hamburg, Rhein-Ruhr - werden von der öffentlichen Hand finanziert. 6,7 Millionen an Steuergeldern hat der Münchner Stadtrat bewilligt, um nur die Bürgerbefragung durchzuführen - 1,7 Millionen davon flossen in die Werbung. Dafür ist die Stadt jetzt übersät mit Plakaten und Slogans wie "Für ewige Helden und bleibende Bauten" oder "Für Leidenschaft und Wirtschaftskraft".

Bei den bisher bekannten Summen wird es erfahrungsgemäß nicht bleiben - und der Einfluss auf die Wirtschaft bleibt höchst umstritten. "Bei den Kosten wird immer untertrieben", sagt Tobias Ruff, Fraktionsvorsitzender der ÖDP im Münchner Stadtrat und an der Spitze des Bündnisses "NÖlympia". Die "gesamtwirtschaftlichen Effekte sind gering", ergänzte er im Gespräch mit dem SID, "die lokale Wirtschaft profitiert kaum. Dagegen ist es ein Ereignis für Großsponsoren vom IOC."

Tatsächlich sind nicht nur die Forscher des Münchner ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung bei ihren Studien zu vergangenen sportlichen Großereignissen zu der Erkenntnis gelangt, dass nicht alles Gold ist, was da angeblich glänzt: "Falls es messbare positive wirtschaftliche Folgen gab - was nicht immer der Fall war - waren sie oft nur von kurzer Dauer oder lokal und auf bestimmte Branchen beschränkt".

Noch teurer als Paris: "München kann sich das nicht leisten"

Die Befürworter aus Politik und Wirtschaft ziehen als Beispiel für gelungene Olympische Spiele gerne Paris 2024 heran. Verschwiegen wird dabei gerne, was der französische Rechnungshof dazu in seiner Bilanz Ende September feststellte: Die öffentlichen Kosten lagen demnach bei 6,6 Milliarden Euro, zugleich hätten die so gefeierten Spiele aber nur "bescheidene" Auswirkungen auf die Wirtschaft gehabt.

Bei diesen 6,6 Milliarden für die Steuerzahler werde es für München nicht bleiben, glaubt Ruff. "Es wird auf alle Fälle eher noch teurer", es seien schließlich "Preissteigerungen für die Zukunft zu erwarten". München "kann sich das nicht leisten", betont Ruff deshalb. Tatsächlich weisen die Eckdaten des städtischen Haushalts einen Schuldenstand zum Jahresende 2025 von 7,5 Milliarden Euro aus, und bis 2028 könnten es elf Milliarden sein.

Olympiastadion muss saniert werden

Das ficht die Befürworter allem Anschein nach nicht an. Olympia soll nach Deutschland, und die Befragung der Bevölkerung in München wird dabei zu einem frühen Lackmustest. Ein "Ja" würde die Münchner aus dem Startblock katapultieren, der gar nicht mal so heimlich Favorit unter den vier deutschen Bewerbern hätte einen Vorsprung, den auch der DOSB zur Kenntnis nehmen müsste. Ein "Nein" in München wäre dagegen wohl eine Niederlage auch für die anderen drei Interessenten.

Dabei ist auch das Olympiastadion längst nicht so bereit, wie es gerne glauben machen möchte. Gerade erst hat der Stadtrat die Kosten für eine Sanierung zum Preis von 280 Millionen Euro freigegeben. Ruff befürchtet, dass es am Ende sogar mindestens 400 Millionen werden: "Das ist im Prinzip ein Neubau, der da hin muss. Ein Neubau im Altbau."

 


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