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Miese Nummer, starkes Rennen: Emma Aicher ist es "wurscht"

Emma Aicher zeigte bei der alpinen Ski-WM ihr Können
Emma Aicher zeigte bei der alpinen Ski-WM ihr KönnenKlaus Pressberger / APA-PictureDesk / APA-PictureDesk via AFP / Profimedia
Benachteiligt durch ihre schlechte Startnummer fährt Emma Aicher bei der WM-Abfahrt knapp an einer Medaille vorbei. Breezy Johnson aus den USA gewinnt Gold.

Emma Aicher hätte wütend sein können, verärgert, stocksauer – irgendwas. Aber mit der alles andere als vagen Theorie wollte sie sich erst gar nicht aufhalten. Für die deutsche Hoffnungsträgerin bei der alpinen Ski-WM war eine Medaille zum Greifen nahe, dass sie nach der Abfahrt nicht zumindest Bronze in den Händen hielt, lag vor allem an ihrer miserablen Startnummer 30. Oder? "Das werden wir nie rausfinden", sagte die gewohnt unaufgeregte Aicher (21) – und freute sich lieber und zurecht über Rang sechs.

Die Beobachter aber waren sich einig, allen voran Felix Neureuther betonte nach der "super Fahrt" von Aicher in der ARD: "Wenn sie zehn Startnummern weiter vorne startet, holt sie eine Medaille."

Bis zur "Halbzeit" sah es auch noch danach aus: Aicher lag nur 0,01 Sekunden hinter Breezy Johnson aus den USA, die als Erste ins Rennen gegangen war und im Ziel noch einmal nervös auf dem knallroten Stuhl der Führenden herumrutschte. Durch das Publikum ging ein Raunen.

Aicher aber verlor bedingt durch die ungünstige Startnummer im unteren Streckenabschnitt, am Ende schoss sie um 0,48 Sekunden an Gold und 0,27 Sekunden an Bronze vorbei. Platz sechs wie im Super-G, wieder eine herausragende Leistung – entsprechend riss Aicher die Faust in die Höhe.

Johnson, die nach einer Dopingsperre erst seit Dezember wieder an Rennen teilnehmen darf, brach überwältigt von ihren Glücksgefühlen in Tränen aus. "Crazy", stieß sie hervor.

Aicher hatte sich mit ihren starken Trainingsleistungen als Anwärterin auf eine Medaille positioniert. Doch weil sie bislang im Abfahrts-Weltcup kaum gepunktet hat, landete sie in der Startgruppe mit Exotinnen aus Kenia oder Andorra. Dort bekam sie die schlechteste Nummer zugelost. "Wurscht", sagte sie wie üblich gelassen: "Die drei auf dem Podium haben es richtig gut gemacht, die haben es sich verdient."

Johnson feiert besonderes Comeback

Hinter Johnson platzierte sich die Österreicherin Mirjam Puchner, Dritte wurde Multi-Athletin Ester Ledecka, die nach dreimal Gold bei Olympia (2018/2022 im Snowboard, 2018 im Super-G) ihre erste Medaille bei einer alpinen Ski-WM gewann. Alle drei hatten wie Aicher im Training überzeugt, aber bessere Nummern.

Eine der ersten Gratulantinnen bei der völlig aufgelösten Johnson war Lindsey Vonn, die mit Startnummer 21 noch hinter der enttäuschten Kira Weidle-Winkelmann (12.) auf Rang 15 landete.

Für Johnson, die erste Weltmeisterin in der Abfahrt aus den USA seit Vonn 2009, war es ein Comeback der besonderen Art: Weil sie innerhalb von zwölf Monaten bei drei Terminen der US-Dopingagentur USADA nicht angetroffen wurde, war sie im Oktober 2023 für 14 Monate gesperrt worden.

Vor acht Wochen gab Johnson ihr Comeback im Weltcup, wo sie noch kein Rennen gewonnen hat. Bis dahin war sie auf sich alleine gestellt, auch finanziell: "Ich musste rund 200.000 Dollar aufbringen." Für Gold erhält Johnson nun immerhin ein Preisgeld von umgerechnet rund 63.000 Dollar.