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Tschofenigs Himmelflug: Ein "Vokuhila-Millennial" als Österreichs Erlöser

Daniel Tschofenig feiert seinen Sieg beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen.
Daniel Tschofenig feiert seinen Sieg beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen.KERSTIN JOENSSON/AFP
Es fehlte nicht viel, und Daniel Tschofenig hätte noch mit der schmucken Weste des Tournee-Spitzenreiters am Körper die Nacht verbracht. "Wenn ich mir vorstelle, wie ich als kleines Kind daheim gesessen bin und davon geträumt habe – und jetzt habe ich das blaue Trikot wirklich an", sagte Österreichs Skisprung-Überflieger nach seinem Tagessieg bei der Vierschanzentournee in Garmisch-Partenkirchen mit glänzenden Augen im ORF.

Dabei hatte der 22-Jährige trikottechnisch sogar die Auswahl: Das Jersey des Tournee-Leaders hatte er seinem Landsmann Stefan Kraft abgeknüpft, das gelbe Leibchen des Gesamtweltcup-Spitzenreiters an einem perfekten Tag dem deutschen Rivalen Pius Paschke. Sein Textil-Favorit schien aber offensichtlich.

Tschofenig schaute gar derart verliebt auf sein blaues Leiberl, dass seine Freundin Alexandria Loutitt durchaus eifersüchtig hätte werden können - wäre die kanadische Weltmeisterin nicht selbst fast zeitgleich bei der "Two Nights Tour" in Oberstdorf im Einsatz gewesen.

Dass er mit seiner Partnerin in Sachen große Titel mindestens gleichziehen würde, sollte er am 6. Januar in Bischofshofen den Goldadler in die Luft stemmen, ist für Tschofenig eher nebensächlich. Vielmehr könnte er eine ganze Republik erlösen: Österreichs letzter Tourneesieg liegt stolze zehn Jahre zurück - 2015 siegte Tschofenigs jetziger Mitbewerber Kraft.

Dieser, zur Halbzeit Tourneedritter hinter seinen Landsleuten Tschofenig und Jan Hörl, ist das Bindeglied zwischen der Goldenen Generation von einst um einen Gregor Schlierenzauer und den furiosen Youngster. "Ich glaube, die zwei Jungen sind vielleicht ein bisschen besser drauf", sagt Kraft (31) mit Blick auf Hörl und vor allem Tschofenig - Kraft ist nicht der einzige ÖSV-Promi der schwer angetan vom Senkrechtstarter ist.

"Sensationell!", jubelte Weltcuprekordsieger Schlierenzauer bei Tschofenigs Siegessprung zu Neujahr im ORF, während Co-Experte Andi Goldberger vor juchzender Euphorie gleich sein ganzes Vokabular verschluckte.

Tschofenig verzückt Österreich - und er hat reichlich Starpotenzial. Der Kärtner ist smart, stets gut gelaunt und nicht nur bei der Trikotauswahl durchaus modebewusst - seine Frisur changiert je nach Tagesform und -Laune irgendwo zwischen Travolta-Fönwelle und - wie derzeit - einer Art Halb-Vokuhila.

Tschofenig hat "alle sieben Sachen beieinander"

Vor allem aber ist er seit seinem Durchbruch in der laufenden Saison Frontmann der neuen Austria-Adler-Generation. Bei seinem Premierenerfolg Anfang Dezember in Wisla wurde Tschofenig zum ersten nach 2000 geborenen Weltcup-Sieger, zum "Schanzen-Millennial" quasi. Und hat seitdem unglaublich an Selbstvertrauen gewonnen.

"Es ist cool, wenn man weiß, man hat alle sieben Sachen beieinander", sagt Tschofenig. Und, auch das mag man in Österreich: Er weiß um die Rivalität mit den Deutschen - auch wenn Tschofenig nicht einmal geboren war, als Sven Hannawald als bislang letzter DSV-Adler die Tournee gewann. Und deshalb stimmt er sich und seine Landsleute schon passend auf das ausverkaufte Bergisel-Heimspringen am Samstag ein.

"Die Deutschen sind doch sehr patriotisch, das haben wir zuletzt in Neustadt schon mitbekommen. Da ist für die Österreicher nicht viel gejubelt worden", sagt Tschofenig: "Ich hoffe, dass wir es ihnen jetzt zurückgeben können."