Die Statistik spricht gegen ihn. Seit 1991 hat kein amtierender Tour-Sieger die "Hölle des Nordens" bestritten. Der letzte, der es versuchte, war Greg LeMond, und der kam nicht über Platz 55 hinaus. Der letzte, der es schaffte, sowohl Paris-Roubaix als auch die Tour de France im selben Jahr zu gewinnen, war Bernard Hinault im Jahr 1981. Und der "Dachs" selbst konnte Roubaix nur ein einziges Mal bezwingen.
Der Körperbau der typischen Roubaix-Gewinner ist ebenfalls ein Hindernis. Im 21. Jahrhundert liegt das Durchschnittsgewicht der Sieger bei 77,7 Kilogramm. Mathieu van der Poel, der Titelverteidiger, bringt rund 75 Kilogramm auf die Waage – satte neun mehr als Pogacar. Ist der Slowene schlicht zu leicht für dieses brutalste aller Monumente?
Was spricht für Pogacar?
Doch wer Pogacar kennt, weiß: Unmöglich gibt es für ihn nicht. Und er hat bereits bewiesen, dass er auf Kopfsteinpflaster bestehen kann. Bei der Tour de France 2022 dominierte er eine Etappe mit Pavé-Sektoren – wenn sie auch nur 19,4 Kilometer lang waren. Paris-Roubaix wartet mit über 50 Kilometern Kopfsteinpflaster auf, darunter berüchtigte Höllenabschnitte wie der Wald von Arenberg, Mons-en-Pévèle oder der Carrefour de l'Arbre. Doch wenn jemand ein Naturtalent für unerwartete Siege hat, dann Pogacar.
Auch sein Erzrivale van der Poel traut ihm den Coup zu: "Er hat gezeigt, dass er auf Kopfsteinpflaster sehr stark ist. Es ist sicher, dass er Roubaix gewinnen kann. Es wird nicht leicht sein, aber das ist es für niemanden."
Mit dieser Teilnahme setzt Pogacar seinen Weg fort, ein "All-in-One"-Fahrer zu werden. Er gibt sich nicht mit Tour-Siegen zufrieden, sondern will auch in den Klassikern brillieren. Seine Erfolge bei der Lombardei-Rundfahrt oder Lüttich-Bastogne-Lüttich belegen seine Vielseitigkeit. Aber Paris-Roubaix? Das wäre ein Ritterschlag der besonderen Art.
Sein Terminkalender bleibt derweil prall gefüllt: Ardennenklassiker, Tour de France, vielleicht die Vuelta. Pogacar will nicht nur Geschichte schreiben, er will sie in jeder Radsportdisziplin dominieren. Die Hölle des Nordens könnte dabei seine größte Bewährungsprobe werden.