Der Dachs wurde ziemlich fuchsig. Was denn eher passieren werde, fragte ein Journalist während der laufenden Tour de France den großen Bernard Hinault: Der erste französische French-Open-Sieg seit Tennis-Ikone Yannick Noah 1983? Oder der erste Tour-Sieg seit eben Hinault 1985? "Le Blaireau" bekam Puls wie früher auf dem Weg nach L'Alpe d'Huez: Ein bisschen mehr Ernst, forderte der erregte Hinault vom Medienschaffenden, es sei schließlich ein nationales Desaster!
"Wir sind ein Radsportland, wir haben das schönste Radrennen der Welt, das wichtigste der Welt. Und wir gewinnen es nicht! Das ist eine Anomalie in der Geschichte dieses Sports", schimpfte der brüske Bretone. Sacrebleu!
40 Jahre ist es in dieser Woche her, dass Hinault die Tour zum fünften und letzten Mal gewann. Und die entsprechende Geburtstagstorte möchte der heute 70-Jährige jedem Fragesteller ins Gesicht pfeffern: "Es ist eine Schande. Das hat Frankreich nicht verdient."
Undenkbare Durststrecke
Als der schon als Fahrer einigermaßen stinkstieflige Hinault 1985 die Tour gewann, war es der achte französische Erfolg binnen neun Jahren, die Grande Nation beherrschte den Radsport der Nach-Merckx-Ära nach Belieben. Dass sich daran zeitnah etwas ändern könnte? Damals undenkbar.
Dann passierte eben das Undenkbare. Es ist wie verhext und mittlerweile nur noch vergleichbar mit den ganz großen Fußballflüchen, dem des Bela Guttmann bei Benfica Lissabon (hält an) und den sieben toten Katzen beim Racing Club in Buenos Aires (endete der Legende nach mit der Exhumierung einer Fellmumie in den frühen 2000ern).
Hinault scheiterte 1986 auf dem Weg zum sechsten Titel an Greg LeMond, dem drei Jahre später Laurent Fignon um legendäre acht Sekunden unterlag. Seitdem hechelten Herrscharen hochveranlagter Franzosen dem Gelben Trikot hinterher. Und während so ziemlich jede andere Radsport-Nation triumphierte, selbst - doppeltes Sacrebleu! - die Deutschen mit Jan Ullrich 1997, gab es für Hinaults Erben maximal zweite Plätze, zuletzt 2016 durch Romain Bardet.
Festina-Skandal warf Frankreich zurück
"Es entstand nach den großen Jahren eine Phase, in der wir etwas eingeschlafen sind", sagt Ex-Profi Jérome Pineau: "Wir hatten zwar einige gute Fahrer, aber auch sie fielen zum Teil in die dunklen Jahre des Radsports."
Der Festina-Skandal 1998 warf Frankreich zurück, zum anhaltenden Liebesentzug kam es nicht - das zeigte sich auch am Dienstag, als Franzosen zu Zigtausenden den Mont Ventoux bevölkerten. Dabei haben zwei französische Generationen nie einen Tour-Sieg erlebt. Von den Zeiten eines Hinault müssen die Großeltern erzählen. Oder Hinault selbst, immer und immer wieder und immer genervter.
Es gibt leise Anzeichen nahender Erlösung. Kévin Vauquelin (24) lag vor dem Ventoux auf Platz fünf des Gesamtklassements. Paul Seixas (18) ist eines der größten Talente im Weltradsport. Dessen Decathlon-Team hat ab 2026 den Schifffahrt-Giganten CMA CGM als Titelsponsor an Bord, wird damit zu einer der finanzstärksten Mannschaften.
"Damit könnten sie in den kommenden Jahren Topkandidaten auf einen Toursieg sein", sagte am Montag einer, der sich mit Toursiegen auskennt: Tadej Pogacar. Dem Blutdruck Hinaults dürfte diese Einschätzung guttun.