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Mit voller Kraft zurück: Duell zwischen Pogacar & Vingegaard das prägende Tour-Motiv

Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar fahren im Juni vor der Tour de France gegeneinander
Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar fahren im Juni vor der Tour de France gegeneinanderAnne-Christine Poujoulat / AFP
Seit jeher im Radsport war ein Duell zwischen zwei Fahrern die Grundprämisse für die Magie der Tour de France. Man denke an Hinault gegen LeMond, Armstrong gegen Ullrich, Froome gegen Wiggins. In diesem Jahrzehnt prägt der Zweikampf zwischen Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard die Rundfahrt. Der Slowene Pogacar - der geborene Rennfahrer, der charismatische Schürzenjäger, der kraftvolle Poseur gegen den Dänen Vingegaard - den schüchternen, verstohlenen Kletterer.

Von der Persönlichkeit her könnten die beiden nicht unterschiedlicher sein. Pogacar ist der Dominator des Pelotons, der totale Angreifer, der Renntage selbst dann belebt, wenn es niemand erwartet. Seine Unberechenbarkeit steht in krassem Gegensatz zu der Radsport-Persönlichkeit des Dänen.

Vingegaard ist ein Mann der Strategie und des Durchsetzungsvermögens. Er wird seine Chance in den Bergen suchen, während sein Rivale das Rennen auf vielfältige Weise beeinflussen kann. Auch 2025 kehren die beiden zur Tour de France zurück, nachdem sie die letzten fünf Ausgaben der Rundfahrt unter sich entschieden haben. Pogacar hat dreimal gewonnen, Vingegaard jubelten die beiden anderen Male.

Der Slowene ist der amtierende Champion, der sich 2024 gegen den wieder genesenen Vingegaard durchsetzten konnte. Der Visma-Lease-Radfahrer hatte damals zu Beginn der Saison im Baskenland einen schweren Sturz erlitten, bei dem er sich unter anderem das Schlüsselbein brach. Es grenzte an ein Wunder, dass er überhaupt an den Start gehen konnte, geschweige denn konkurrenzfähig war. Er wurde letztlich Zweiter, allerdings mit mehr als sechs Minuten Rückstand auf seinen ewigen Rivalen. In diesem Jahr dürfte der Abstand wesentlich geringer ausfallen.

Was können wir dieses Jahr erwarten?

Die Tour 2025 beginnt am Samstag in Lille und führt über 21 Etappen durch Frankreich, bevor sie am 27. Juli in Paris endet. Zwischen diesen beiden Städten liegen fünf Flachabschnitte, zehn hügelige und fünf Bergetappen. Die erste Woche ist für die Sprinter und die Puncheure bestimmt, bevor es auf der 12. Etappe zur ersten Bergprüfung kommt. Dort wird der Kampf zwischen den beiden Hauptaktueren entfacht. Eine 180,6 km lange Etappe, die mit dem gefürchteten Hautacam (13,3 km mit 8% Steigung) endet.

Betrachtet man die Saison vor der Tour, so zeigt sich: Pogacar ist im Vorteil. Er hat in dieser Saison zwei Etappenrennen bestritten und beide gewonnen. Zudem blickt er auf eine beeindruckende Klassikersaison zurück, in der er zwei Monumente gewinnen konnte. Bei Vingegaard hat eine Gehirnerschütterung bei Paris-Nizza seine Vorbereitung etwas beeinträchtigt, immerhin hat er eine Rundfahrt in der Algarve gewonnen, ehe er im Juni beim Criterium du Dauphine Zweiter hinter Pogacar wurde.

Seitdem haben beide Fahrer in Höhentrainingslagern an ihrer Form für die Tour gefeilt, so dass wir ihr wahres Leistungsvermögen wohl erst in der zweiten Woche des Rennens erfahren werden. Das Beste für den Sport ist jedoch, dass beide völlig fit in das Rennen gehen werden. Bei den letzten beiden Auflagen ging jeweils einer der beiden mit einer Verletzung ins Rennen. Einen direkten Zweikampf in Topform zwischen den beiden haben wir dagegen seit 2022 nicht mehr gesehen, dem Jahr, in dem Vingegaard und sein Team Pogacar auf der 11. Etappe zum Col du Granon mit einem herausragenden Sieg überrumpelten.

Wer hat das bessere Team?

Obwohl nur eine Person die Tour in Paris gewinnen kann, ist der Radsport immer noch ein Mannschaftssport. Die Teamstärke von Visma und UAE Team Emirates wird bei der Vergabe des Gelben Trikots eine Rolle spielen. Beide Teams verfügen über eine Vielzahl von Talenten. Joao Almeida - der jüngste Sieger der Tour de Suisse - führt die Armada des UAE-Teams an, wertvolle Bergfahrer wie Adam Yates, Pavel Sivakov und Marc Soller stehen ihrem Kapitän ebenfalls zur Seite.

Für Visma wird der ehemalige Grand-Tour-Sieger Sepp Kuss wahrscheinlich Vingegaards wichtigster Helfer in den Bergen sein, während Matteo Jorgensen, Simon Yates und Wout van Aert ebenfalls zur Unterstützung dabei sind.

Welches der beiden Teams tasächlch stärker aufgestellt ist, ist unglaublich schwer vorherzusehen. Aber die Tatsache, dass Visma den Giro d'Italia-Sieger von 2025 und Kuss in ihren Reihen hat, könnte eventuell ein kleiner Vorteil im Hochgebirge sein.

Wer kann die Party verderben?

Das Schöne und Schmerzhafte an den großen Rundfahrten im Radsport ist, dass ein einziger Sturz, ein einziger Reifenschaden, ein einziger schlechter Tag während der drei Wochen über Sieg und Niederlage entscheiden kann. Beim diesjährigen Giro war Primoz Roglic einer der großen Favoriten. Doch der Slowene gab auf der 16. Etappe auf, nachdem er vier Stürze erlitten hatte.

In Lille gehen 184 Fahrer an den Start, nicht alle von ihnen werden es bis Paris schaffen. Wer könnte für einen Schock sorgen, wenn Pogacar und Vingegaard straucheln?

Der Name, der ganz oben auf der Liste steht, ist Remco Evenepoel. Der Belgier war bei seiner ersten Tour im vergangenen Jahr mit mehr als neun Minuten Rückstand auf Pogacar Dritter - und im Hochgebirge gegen die beiden Alphatiere größtenteils machtlos.

Allerdings hat er schon eine große Rundfahrt gewonnen: die Vuelta a Espana 2022. Zudem ist er auf dem Papier der beste Zeitfahrer unter den dreien. Dagegen mangelt es ihm an Explosivität in den Anstiegen. Um die Tour zu gewinnen, muss er sich etwas einfallen lassen, möglicherweise Ausreißversuche starten und bei den beiden Zeitfahren Sekunden, oder sogar Minuten gutmachen.

Andere Namen, die für den Gewinn des Gelben Trikots gehandelt werden, sind Roglic und Florian Lipowitz von Red Bull - BORA - Hansgrohe, Enric Mas von Movistar und Ben O'Connor von Jayco Alula. Als wirkliche Konkurrenten für Pogacar und Vingegaard zählen sie jedoch allesamt nicht.

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