Alexander Bublik ist bisher noch nicht als "Jim Carrey des Tennis" bekannt. Doch bei genauerem Hinsehen liegt der Vergleich überraschend nahe. Beide stehen für exzentrische Auftritte, für das Spiel mit der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn, für eine tiefere Philosophie hinter dem scheinbaren Chaos.
Beide lieben das Extravagant - und beide sind unglaublich gut, in dem was sie tun. Bei den French Open 2025 scheint Bublik nun an einem Wendepunkt angekommen zu sein: Der Mann, der das Tennis lange eher als Beruf denn als Berufung sah, findet womöglich gerade seinen inneren Sinn.
Parallelen zweier Künstler
Jim Carrey revolutionierte die Comedy-Szene einst mit einem Stil, der keine Rücksicht auf Konventionen nahm. Seine Gesichtsgrimassen, sein ungebremster Körpereinsatz und sein Wille, jede Szene zu dominieren, machten ihn in den 90ern weltberühmt. Doch Carrey war nie nur der Clown: Hinter der Maske verbarg sich ein Suchender; ein Mann, der später das Rampenlicht infrage stellte und sich zunehmend spirituellen und philosophischen Themen widmete.
Auch Bublik wird auf der Tennisbühne zumeist als exzentrisches Talent ohne Rücksicht auf Etikette und Verhaltensnormen wahrgenommen. Der 27-Jährige bringt seine Gegner mit Unterarm-Serves oder Stoppbällen zur Weißglut, kontert Angriffe mit Passierschlägen zwischen den Beinen, und hadert regelmäßig lautstark mit sich selbst, dem Spiel und anderen, extrernen Umständen. Einst gab er offen zu, den Tennis-Sport nicht zu lieben, sondern eher zu tolerieren. Interviews mit Sätzen wie "Ich spiele fürs Geld" oder "Ich hasse Tennis manchmal" prägen sein Image.
Doch hinter der Fassade steckt ein Spieler mit Feingefühl, mit Talent, mit kreativer Energie. Genau wie Carrey irgendwann Rollen wählte, die mehr Tiefe verlangten, wie zum Beispiel in "The Truman Show oder "Spotless Mind", scheint Bublik nun seine eigene Rolle im Tennis neu zu definieren.
Ein emotionaler Durchbruch in Paris
Nach seinem Sieg gegen Jack Draper in der vierten Runde der French Open 2025 zeigte sich Bublik so emotional wie nie zuvor. "Das ist der schönste Moment meines Lebens. Punkt", sagte er unter Tränen. Damit wurde deutlich: Hier steht nicht mehr nur der Zyniker auf dem Platz, sondern ein Mann, der mit dem Tennisfieber infiziert ist.
Er kämpfte sich nach Satzrückstand zurück, zeigte mentale Stärke, Variabilität und eine neu entdeckte Leidenschaft, die viele ihm lange nicht zugetraut hätten. Statt Kapriolen oder provokanten Aussagen sah man einen fokussierten Bublik, der den Moment in sich aufsog, das Publikum mitriss und sich selbst überraschte. "Ich bin ein professioneller Tennisspieler, es gibt ein nächstes Match", ergänzte er nach dem Match mit einem wehmütigen Lächeln. Ein Lächeln, das so typisch für seinen Charakter ist, aber auch eine Aussage, die den neu gewonnen Ernst der Situation spiegelt.
Nächste Hürde: Nummer eins der Welt
Was früher wie ein Zirkus wirkte, hat nun Struktur. Natürlich blitzt der alte Bublik immer noch durch - mit einem frechen Aufschlag von unten oder einem lässigen Tweener. Doch diese Einlagen wirken nicht mehr wie eine Flucht vor dem Ernst des Spiels, sondern wie bewusste Ausdrucksformen. Bublik scheint gelernt zu haben, dass Rebellion und Reife keine Gegensätze sein müssen.
In Roland Garros war im Viertelfinale dann gegen Jannik Sinner Schluss. Der Nummer eins der Welt hatte Bublik im Endeffekt nicht viel entgegenzusetzen. Die klare 1:6 5:7 0:6-Niederlage nahm aber natürlich, wie sollte es anders sein, dennoch mit Humor: "Ich habe diese Woche gutes Geld gemacht und einen Flug in die USA gebucht. Bobby braucht Urlaub. Ich wollte mir schon immer den Grand Canyon ansehen."
Der Höhenflug Bubliks setzte sich in der Rasen-Saison fort. In Halle zog er nämlich eben jenem Sinner den Zahn, drehte eine enge Partie und sicherte sich im weiteren Verlauf den Titel seit den Open Sud de France im Februar 2024. Mit teils herausragenden Leistungen galt er im Vorfeld von Wimbledon sogar als "Black Horse" auf den Titel, scheiterte dann jedoch überraschend in der ersten Runde von SW19. Doch auch davon ließ sich Bublik nich kleinkriegen: Im Juli sicherte er sich in Gstaad und Kitzbühel die ersten Titel auf Sand.
Erinnerung an Nick Kyrgios
Was aber auch klar ist: Beispiele der Vergangenheit haben gezeigt, das die aktuelle Form von Bublik genauso gut nur eine kurze Hochphase sein kann. Nick Kyrgios etwa, der durchaus ähnliche Charakterzüge aufweist und auch die Sicht zum Tennis lediglich als Beruf teilt, erlebte eine solche.
2022 riss er sich erstmals in seiner Karriere wirklich mental zusammen, erreichte das Finale von Wimbledon und feierte den Sieg bei den Australian Open im Doppel. Das Erbe dessen? Seit der Folgesaison hat der Australier auf ATP-Level lediglich sechs Matches bestritten, von welchen er fünf verlor.
Wird der Entertainer zur Erfolgsgeschichte?
Ob der Wandel von Alexander Bublik von Dauer ist, bleibt offen. Er bleibt ein Spieler mit Ecken und Kanten, mit dem Hang zur Selbstsabotage ebenso wie zur Genialität. Doch eines ist klar: Wer ihn dieser Tage spielen sieht, sieht nicht mehr nur einen talentierten Außenseiter – sondern vielleicht einen Mann, der endlich Frieden mit sich und seinem Sport schließt.
Wie Jim Carrey, der vom Grimassenschneider zum Philosophen wurde, könnte auch Bublik seinen Weg vom Clown zum Künstler finden. Und wer weiß – vielleicht führt ihn dieser Weg eines Tages tatsächlich zu einem Grand-Slam-Titel.