Für Daniel Huber war die Saison 2024/25 vorbei, bevor sie begonnen hat. Eine Knieverletzung zwang den 31-jährigen Salzburger, der 2022 im Teambewerb Olympia-Gold holte, zu einer Operation und einer daraus resultierenden Zwangspause. Der ÖSV-Star musste in seiner Karriere schon mit vielen Rückschläge umgehen. Er ist auch diesmal optimistisch, dass er an seine vorherigen Leistungen anknüpfen kann. In der Saison 2023/24 gewann er den Skiflugweltcup, feierte in Vikersund und Planica zwei seiner drei Weltcupsiege.
Flashscore: Daniel, starten wir mit der wichtigsten Frage: Wie geht es dir?
Daniel Huber: Danke, mir geht’s soweit sehr gut und die OP ist gut verlaufen. Ich darf mich, den Umständen entsprechend, nicht beschweren. Ich habe, von den Schmerzen her, kaum Beschwerden und die Schwellung ist sehr gut am Abklingen. Die Entwicklung ist gut, aber natürlich ist es so, dass ich zurzeit lieber etwas anderes machen würde, als in der Motorschiene zu liegen, oder mit dem Compex zu versuchen, den Muskel am Leben zu halten.
Wie schaut dein Alltag momentan aus? Bist du schon mitten in der Reha?
Ja genau, ich absolviere sehr viele Therapieeinheiten. Es ist relativ zeitaufwendig und wenig spannend - lymphen, Motorschiene, mit Strom arbeiten und probieren, alle möglichen Bereiche auszunutzen. Jetzt habe ich auch mit Kryo- und Sauerstofftraining begonnen. Ich versuche, mich mit der Ernährung zu beschäftigen, alles so gut wie möglich abzudecken und es so fortschrittlich wie möglich zu gestalten.
Es ist zeitaufwendiger als das übliche Skisprung-Training zu diesem Zeitpunkt der Saison. Da trainieren wir höchstens zwei Stunden am Stück und konzentrieren uns ansonsten nur auf die Wettkämpfe. Zurzeit bin ich oft fünf bis sechs Stunden am Tag mit der Therapie beschäftigt. Spannender wäre natürlich, Sprünge zu absolvieren.

Wie steht es um deinen Comeback-Plan? Wann rechnest du damit, dass du dein Knie wieder komplett belasten kannst?
Einen Plan gibt es auf jeden Fall. Den hat es schon ab Tag 1 nach OP gegeben. Natürlich ist das alles immer mit Fragezeichen verbunden. Verläuft alles nach Plan? Wie gut geht der Heilungsprozess voran? Es kann immer wieder Komplikationen geben. Da klopfe ich auf Holz, dass es so weitergeht, weil zurzeit ist es sehr positiv.
In der ersten Phase konzentriere ich mich auf abklingende Schwellung und OP-Symptome. Ab dem neuen Jahr lege ich die Krücken und kann dann in die erste Trainingsphase einsteigen. Zunächst muss ich mich wieder an den Alltag gewöhnen und werde koordinative sowie kräftigende Trainingsreize setzen. Das wird dann Monat für Monat langsam gesteigert.
Man muss bei einer Reha immer von Tag zu Tag schauen. Es ist schwierig, genau an die Belastungsgrenze zu gehen, ohne es zu übertreiben. Der Plan ist, dass ich im Juni wieder auf der Schanze stehe. Das ist für diese Saison sehr schade, aber im Hinblick auf die nächste sehr cool, weil ich, wenn alles planmäßig läuft, die Vorbereitung voll mitnehmen kann. Dann steht, was die Vorbereitung angeht, der Olympiasaison nichts im Weg.
Mit 31 Jahren bist du in einem guten Skisprung-Alter. Trotzdem ist ein kompletter Saisonausfall alles andere als optimal. Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt Gedanken an ein Karriereende?
Es ist zumindest nie so im Raum gestanden, dass ich gesagt habe, das war es jetzt. Ich habe speziell nach der Abreise aus Lillehammer gemerkt, dass es im Alltag auch nicht passt. Meinen Alltag mit dem Knie zu bewältigen, war nicht mehr fein. Deswegen habe ich gewusst, dass ich sowieso was tun muss. Die Reha als Spitzensportler zu machen, ist das Beste, was ich machen kann. Ich kann mich den ganzen Tag um mein Knie und meinen Körper kümmern, dass ich so schnell wie möglich wieder fit zurückkomme.
Für mich war von Anfang an klar, dass ich den Weg gehen will. Natürlich muss man sich die Frage stellen, was am Ende rauskommt. Ich kann nicht sicher sagen, wo die Reise hingeht. Ich kann nicht sagen, ob es wieder für Skispringen reichen wird und ob ich den Schmerz, den ich die letzten Jahre, oder speziell in den letzten Wochen, mitgeschleppt habe, wirklich wegbringe. Schlussendlich steht und fällt es mit dem, weil ich gemerkt habe, dass ich nur schmerzfrei gut springen kann.
Ich werde mich körperlich nicht ruinieren, aber ich werde alles daransetzen, dass ich wieder zurückkomme. Ich werde jeden Tag kämpfen, aber kann trotzdem nicht genau sagen, wo die Reise hingeht. Das ist auch der Aspekt, der ein bisschen mitschwingt. Aber immer unter der Voraussetzung, dass ich zu 100 Prozent motiviert bin, das nochmal zu machen.
Was sind deine zukünftigen Pläne? Gibt es Großereignisse, die du unbedingt noch erleben willst?
Für mich ist Olympia das große Zugpferd, das mich erstaunlicherweise schnell wieder motiviert hat. Ich habe ehrlich gesagt selbst ein bisschen damit gerechnet, dass es mich vorerst nicht mehr interessiert. Jetzt lasse ich die erste Phase verstreichen, tu was ich tun muss, aber besonders freut es mich nicht. Vor allem in der ersten Woche nach Lillehammer habe ich mir gedacht, dass es mich nicht mehr interessiert.
Am Wochenende, an dem die Bewerbe in Kuusamo stattgefunden haben, bin ich operieren gegangen und habe mir die Springen quasi aus dem Krankenbett angeschaut. Ich habe mir dann gleich gedacht, dass ich jetzt was tun muss. Ich will wieder, ich bin motiviert und ich muss schauen, dass ich Gas gebe und, dass ich nichts auslasse. Ich versuche gerade mit Olympia im Hinterkopf, die Reha auf ein neues Level zu heben. Ich habe viel Erfahrung, was das angeht, und versuche, das nochmal zu steigern.
Ich denke, das braucht es im fortgeschrittenen Alter, weil leichter wird es nicht. Olympia in Italien reizt mich einfach so sehr. Als Titelverteidiger dahin zu fahren, ist ein Riesenansporn. Das steht gerade über allem.
Die jetzige Verletzung ist leider nicht die Einzige in deiner Karriere. Letztes Jahr musstest du an der Hüfte operiert werden. Woher nimmst du die Kraft, dich immer wieder aufs Neue zurückzukämpfen?
Das ist eine gute Frage. Ich habe jetzt selbst vermutet, dass sie mir ausgeht. Dass ich keinen Bock habe, mich wieder zurückzukämpfen. Man fragt sich schon immer, warum wieder ich? Das war jetzt meine sechste Operation, das ist nicht ohne. Aber ich weiß, dass das noch nicht alles war. Ich weiß, was ich leisten kann. Das habe ich zum Glück auch schon ein paar Mal zeigen können.
Wenn ich gesund bin, macht mir der Beruf, die Leidenschaft extrem viel Spaß. Wir sind ein super Team und ich kann mir keinen besseren Job vorstellen. Ich liebe den Sport und möchte auch in dem Sport bleiben, so lange wie es geht. Daher kommt die Motivation.

Du giltst als absoluter Familienmensch und bist mittlerweile seit ca. 16 Monaten Vater. Ist das für dich zumindest ein Lichtblick, dass du deinem Kind jetzt viel mehr Aufmerksamkeit schenken kannst?
Das ist sogar ein extrem großer Lichtblick. Meine Tochter gibt mir so viel zurück. Das ist aktuell das Schönste. Natürlich freue ich mich dann auch, wenn die Krückenphase vorbei ist. Dann kann ich wieder mehr tun, denn mit ihnen bin ich ein bisschen eingeschränkt. Meine Frau freut sich auch, wenn ich wieder mehr mit anpacken kann. Jetzt bin ich zwar da, aber eigentlich mehr Belastung. Ich erlebe Dinge mit, die ich während der Saison in diesem Ausmaß nicht mitbekommen würde. Es ist unfassbar schön, sie heranwachsen und entwickeln zu sehen.
Hast du einen Moment mit deiner Tochter, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist? Einen Magic Moment sozusagen.
Unser Urlaub in Griechenland, bevor die ganze Misere angefangen hat. Da war die ganze Woche magisch, wenn man es so nennen will. Sie war super drauf und sehr offen. Davor war ich viel unterwegs und habe wieder die neuen Entwicklungen gesehen. Wir haben viel Zeit miteinander gehabt und einfach den Urlaub genossen. Die ganze Woche war ein echtes Highlight. Das ist mir extrem in Erinnerung geblieben und war zu diesem Zeitpunkt genau richtig, weil es für die Saison sehr viel Kraft gegeben hätte. Vielleicht gibt mir aber auch die jetzige Phase Energie für die Reha.

Wie schwer ist es, deinen Kollegen im Fernsehen von zu Hause aus zuzuschauen?
Ich muss ehrlich sagen, dass es in der Vergangenheit in den Reha-Phasen immer okay war. Dieses Mal ist es aber sehr hart. Als ich während der Springen in Lillehammer zu Hause gesessen bin, habe ich schon gewusst, wie es um das Knie steht. Ich habe auch schon gewusst, was wir machen werden, aber ich war noch nicht operiert. Da ist es mir sehr schwergefallen. Ich freue mich, wie gut die Kollegen abschneiden. Das ist megacool und ich gönne es jedem. Das ist überhaupt kein Neid, aber ich habe die Trainingsleistungen im Kopf. Ich weiß, was ich im Sommer geschafft habe und draufhabe. Ich sehe was sie abliefern und weiß, dass ich da auch mitmischen könnte. Das ist schade und es tut weh, den ganzen Sommer hart gearbeitet zu haben und jetzt trotzdem zuschauen zu müssen.
Ich habe viel in das Knie und meinen ganzen Körper investiert. Im September dachte ich, dass es mir so gut wie noch nie geht. In Stams bin ich dann leider gestürzt und die Misere hat begonnen. Zunächst war es nicht so schlimm. In Lillehammer wurde der Schmerz dann rasant stärker. Deswegen gibt es den einen Moment, an den ich mich oft zurückerinnere und mir denke, ob der sein hat müssen. Es tut im Moment schon noch weh, aber es wird von Wochenende zu Wochenende besser.
Verfolgst du jedes Springen?
Ich schaue es mir an, weil ich den Sport liebe. Es ist auch interessant, von außen darauf zu blicken, um sich eventuell eine andere Meinung zu bilden. Als Springer in diesem Zirkus sieht man gewisse Sachen oft nicht. Es fallen einem dann immer wieder Sachen über die Sportart ein und man macht sich Gedanken, wie die Zukunft von diesem Sport aussehen könnte. Gleichzeitig freue ich mich über die Leistung der Jungs.
Ich finde es auch cool, wie Pius es im Moment durchzieht. Wenn ich es einem gönne, dass er vor den ÖSV-Athleten ist, dann ist es am ehesten er. Seine Geschichte und sein Weg ist sehr spannend und könnte eine Orientierung für mich sein. Ich nehme es gerne, wenn es mit 34 Jahren nochmal so läuft.
Die Bilanz der ÖSV-Adler ist in dieser Saison unglaublich. Du hast die Vorbereitung noch komplett mitgemacht. War da schon abzusehen, dass Österreichs Skispringer so erfolgreich sein werden?
Nach dem letzten Jahr, ja. Es war letztes Jahr ähnlich, aber das Material hat sich leicht verändert, der Sommer war dazwischen und eine neue Saison ist eine neue Saison. Es fängt bei Null an und keiner schenkt dem Anderen etwas. Deswegen weißt du nie, wo die Reise hingeht. In gewisser Weise war es absehbar, weil wir speziell im Winter gut aufgehört haben und wettkampfstark sind.
Zwischen Sommer und Winter ist doch immer ein Unterschied und wir wissen, dass uns der Winter besser liegt. Die Sommerergebnisse waren schon gut und ich hatte das Gefühlt, dass es in die richtige Richtung geht. Ich kenne auch andere Beispiele. Die Polen haben letztes Jahr geglaubt, dass sie super springen. Sie haben dann zur Vorbereitung in Lillehammer gemeinsam mit den Norwegern trainiert und waren auf einem ähnlichen Niveau. Dann war der Auftakt in Kuusamo und Norwegen und Polen waren irgendwo. Sie haben untereinander geglaubt, dass sie gut springen. Deswegen weiß man nie, wo man steht. Wir haben mittlerweile das Vertrauen, da wir wissen, dass wir uns mit Start der Wintersaison steigern können.
Unter Alexander Pointner war Österreich ganz klar die Skisprung-Nation Nummer 1. Nach der Trennung von ihm war das dann nicht mehr Fall. Was ist der Grund, dass ihr jetzt wieder so erfolgreich seid?
Swider (Anm.: Cheftrainer Andreas Widhölzl) ist definitiv ein großer Faktor. Wie er das Team zusammenhält, habe ich auf diese Art bis jetzt noch nicht erlebt. Er ist mit seiner Ruhe und Gelassenheit einer, der uns einen Weg vorgibt, aber nie Stress bekommt. Er reagiert nicht überemotional, sondern hält den Laden zusammen. Er weiß, welche Assistenztrainer, Serviceleute und Physiotherapeuten er um sich braucht.
Es macht nicht nur jeder seine Arbeit gut, sondern jeder kann auch er selbst sein. Sie ziehen mit den Athleten an einem Strang, dadurch ist sehr viel Spirit drin. Das macht oft mehr aus als zwei Zehntel Anfahrtsgeschwindigkeit oder fünf Kilogramm mehr in der Beinpresse. Das zeichnet uns aus und ich bin gerne in der Mannschaft. Ich denke, dass wir gemeinsam noch viel erreichen können.
Schafft es ein ÖSV-Springer, Pius Paschke zu schlagen oder holt er sich den Gesamtweltcup?
Jetzt gerade ist er unheimlich stark. Er war noch nie in dieser Situation und geht trotzdem locker damit um. Es ist sehr cool wie schnell ein Athlet die Situation, auf einmal Seriensieger zu sein, annehmen kann. Ich glaube, dass er weiß, was er braucht und, dass es vielleicht für den Gesamtweltcup reicht. Ich glaube, dass trotzdem der ein oder andere Einbruch kommen wird.
Uns Österreicher macht die kompakte Mannschaft stark. Wir haben in dieser Saison mittlerweile fünf verschiedene Springer auf dem Podest gehabt. Manuel Fettner war als Einziger nicht auf dem Podest und fliegt jetzt aus der Mannschaft, obwohl er im Gesamtweltcup auf Platz 13 liegt. Wir können uns gegenseitig pushen.
Bei den Deutschen ist Pius allein auf weiter Flur. Andreas Wellinger und Karl Geiger machen ebenfalls gute Sachen, aber es fehlt an der Konstanz. Pius muss die deutschen Fahnen hochhalten. Das ist für den Gesamtweltcup vielleicht egal, aber bei Einzelhighlights wie der Vierschanzentournee, die in Deutschland startet, könnte es schwierig werden. Ich glaube, dass Pius eine Mega-Saison vor sich hat, egal was noch kommt. Trotzdem hoffe ich, dass die Tournee, aufgrund der Kompaktheit in unserem Team, diesmal nach Österreich geht.