"Derby-Frust", "HSV viel zu harmlos" und "Bittere Pleite" - der Blick in die Zeitungen schmerzte am Wochenende noch einmal gewaltig. Während die Spieler des FC St. Pauli ausgelassen ihre Hamburger Stadtmeisterschaft feierten, leckten sie beim HSV angeschlagen ihre Wunden. Denn: Das elektrisierende 112. Derby hat für klare Verhältnisse in Hamburg gesorgt - und der HSV muss wohl seine lahmende Offensive noch einmal verstärken.
"Es ist einfach scheiße", sagte der neue HSV-Kapitän Yussuf Poulsen nach dem 0:2 (0:1), "das kotzt uns an", ergänzte sein Trainer Merlin Polzin - und Sportvorstand Stefan Kuntz bekannte bei Sky: "Es gibt nichts Schlimmeres, als ein Derby zu Hause zu verlieren."
Klassenunterschied oder ein Teil vom "Prozess"
Die bittere Niederlage in dem prestigeträchtigen Stadtduell, das mehr als sieben Jahre nach dem letzten Bundesligaheimspiel im Volkspark so stimmungsvoll begonnen hatte, war ein schwerer Schlag für den HSV. Sie brachte aber auch einige, möglicherweise wichtige Erkenntnisse mit sich. Der Aufsteiger muss und will seine lahmende Offensive noch einmal verstärken. "Wir haben klare Vorstellungen beim Kader", sagte Polzin, man werde die Zeit bis zum Ende der Transferphase am Montag "sicherlich zielführend nutzen". Und Kuntz meinte: "Wir sind da dran."
Und der Handlungsdruck ist Freitagabend größer geworden. Das Derby, das ohne größere Zwischenfälle der rivalisierenden Fangruppen auskam, machte deutlich, dass der HSV bislang nur als bedingt bundesligatauglich gelten kann. Polzin hatte zwar, laut eigener Aussage, gewisse "Ansätze gesehen, wie wir Fußball in der ersten Liga spielen können", aber gegen St. Pauli - "eine richtig gute Mannschaft" - sah es dennoch zeitweise wie ein Klassenunterschied aus. Der HSV befinde sich nach langer Zweitliga-Zugehörigkeit eben immer noch "in einem Prozess", sagte der Coach.
Euphorie schon wieder verflogen?
Ein Prozess, bei dem der Rivale vielleicht sogar als Vorbild dienen kann? Er könne jedenfalls "trotz aller Emotionalität" auch anerkennen, was auf St. Pauli "an guter Arbeit" geleistet werde, gestand Polzin. Das schnörkellose Auftreten der Gäste sei etwas gewesen, "bei dem sich viele Mannschaften etwas abschauen können".
Es wäre der richtige Zeitpunkt für Verbesserungen, um nicht schon früh in der Saison in unruhige Gewässer zu geraten. Die Aufstiegseuphorie jedenfalls scheint rund um den HSV schon verflogen, und nun wartet auch noch ein Auswärtsspiel beim torhungrigen Rekordmeister FC Bayern.
Beim FC St. Pauli dagegen, der sich über weite Strecken des Spiels wie ein abgezockter Bundesligist präsentiert hatte, war bei aller Partystimmung schnell auch der Fokus auf die kommenden Aufgaben gerichtet. "Das werden wir genießen, aber wir wollen schon mehr", sagte Trainer Alexander Blessin. Der angepeilte Klassenerhalt werde trotz des Motivationsschubs vom Freitagabend "sicher kein Selbstläufer", warnte auch Innenverteidiger Hauke Wahl. Aber immerhin ist die Stadt jetzt erst einmal braun-weiß.