Vor dem Anpfiff ließ die Augsburger Fankurve ihrem Frust freien Lauf. "Große Worte, keine Taten" stand auf einem Banner geschrieben. Ebenfalls mit Spott bedacht wurde die Hoffnung der Klubführung, dem FCA durch die Verpflichtung von Sandro Wagner ein neues Image zu verpassen: "Von der grauen Maus zur Schießbude der Liga".
Auch der Trainer selbst ist beim Anhang ins Visier geraten. "Personenkult" passe nicht zu den Augsburger Werten, denn: "Niemand ist größer als der Verein."
Vor dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund kündigte der 37-Jährige an, kein "Sturschädel" sein zu wollen und die Abläufe innerhalb der Mannschaft anzupassen. Für das richtungsweisende Spiel am 9. Spieltag der Fußball-Bundesliga hatte sich Wagner für ein extrem tief gestaffeltes 5-4-1 entschieden.

Energie ja, Struktur nein
Vom Anpfiff weg zeigten die Augsburger hohe Intensität. Situativ wurde der ballführende Dortmunder von drei Spielern zugleich angelaufen. Allerdings: Selbst wenn dadurch ein Ballverlust provoziert wurde – die zweiten Bälle landeten zuverlässig beim BVB.
Zufall? Keineswegs. Sondern ein wiederkehrendes Muster. Augsburg zeigte wiederholt gute Ansätze – mit und ohne Ball. Doch im Endeffekt blieb das alles nur Stückwerk.

Das erwähnte Pressing wirkte motiviert, aber nicht zielführend. Der Ball wurde gejagt – ohne den Moment danach zu antizipieren.
So ergab sich ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Ballorientierung und Raumorientierung. Im Profi-Fußball entscheidende Fragen – wohin springt der Ball, wie positioniere ich mich für die nächste Aktion? – fielen dabei unter den Tisch.
Zum Flashscore Bundesliga-Tracker
Fehler passieren – zuverlässig
In der Defensive verschob die Mannschaft diszipliniert in Richtung des ballführenden Dortmunders. Ein Hinweis darauf, dass der Draht zwischen Wagner und der Mannschaft intakt ist.
Allerdings verzichteten seine Spieler darauf, situativ die Abwehrkette zu verlassen, um aggressiv Druck auszuüben.
Dadurch hatte der BVB im ersten Durchgang wenig Torchancen – und noch weniger Mühe, den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Geduldig warteten die Gäste auf einen Fehler der Augsburger Hintermannschaft.
Dieser kam zuverlässig: In Minute 37 erzielte Serhou Guirassy den entscheidenden Treffer, nachdem eine Klärungsaktion von Chrislain Matsima unglücklich vom Schädel seines Mitspielers Han-Noah Massengo abgeprallt war.
Vorsicht statt Mut
Im Sommer hatte Wagner angekündigt, einen mutigen, offensiven Fußball spielen lassen. Davon ist Ende Oktober nichts mehr zu sehen.
Mittlerweile ist das Team derart verunsichert, dass die Bundesliga-Fans an diesem Freitag das vielleicht langweiligste Spiel der bisherigen Saison ansehen mussten.

Der Plan, die Augsburger Identität innerhalb weniger Wochen auf den Kopf zu stellen, war von Beginn weg vor allem eines: realitätsfremd.
Einerseits, weil das Spielermaterial für Wagners lebensbejahenden Ansatz nicht die notwendige Qualität mitbringt. Andererseits, weil der ehemalige DFB-Assistent extrem ehrgeizig ist und zu Übersteuerung tendiert.
Während des Spiels gibt er zahlreichen Anweisungen – was aus mentaler Sicht möglicherweise eine Reizüberflutung bedeutet. Von Ruhe und Gelassenheit ist hingegen kaum etwas zu spüren.
Match-Center: FC Augsburg vs. Borussia Dortmund
Kredit verspielt
In der öffentlichen Wahrnehmung wurde Wagner bislang vergleichsweise milde bewertet. Ehemalige Kollegen aus seiner TV-Zeit fokussierten sich auf sein Charisma, seine Eloquenz und seinen Wunsch, attraktiven Fußball spielen zu lassen.
Kritische Zwischentöne blieben jedoch weitestgehend aus. Nach den jüngsten Resultaten wird sich das ändern. Der anfängliche Hype um den einstigen Mittelstürmer kommt angesichts der düsteren Lage notgedrungen zum Stillstand.

Jeder, der das Geschäft kennt, weiß: Passiert nicht zeitnah ein Wunder, wird die Ära Wagner rasch zu Ende gehen. Nicht, weil ihm das Fachwissen fehlt. Nicht, weil er kein guter Trainer ist.
Sondern in erster Linie deshalb, weil ihm die Erfahrungen fehlen, um den Job als Bundesliga-Trainer mit der dafür nötigen Souveränität zu erledigen.
Letztendlich ist die Trainerfrage eine Entscheidung, die nur die Verantwortlichen in der Fuggerstadt treffen können.
Unabhängig davon steht fest, dass gute Ideen und ein stilsicheres Auftreten langfristig nicht ausreichen, um Wagners Anstellung zu rechtfertigen. Denn im Fußball sind Ergebnisse die einzige Sprache, die jeder versteht.

