Wer Arsenal in dieser Saison beobachtet, erkennt sofort die Handschrift einer trainierten Routine. Eine scharf getretene Ecke fliegt zum langen Pfosten, der Ball wird mit Wucht zurück in die Mitte geköpft, und dann herrscht Chaos. Diese "tödliche Routine" hat längst Kultstatus bei den Fans, während die gegnerischen Verteidiger vor ihr zittern.
Declan Rice ist dabei der Dirigent dieser Standardsinfonie. Seine Flanken, mit Effet und Präzision geschlagen, finden regelmäßig Abnehmer in den kopfballstarken Innenverteidigern Gabriel oder William Saliba. So auch beim 2:0-Sieg gegen Burnley, als Rice den Ball perfekt über den Torwart hob, Gabriel das Duell in der Luft gewann und Viktor Gyökeres aus kurzer Distanz vollendete.
Arsenal bleibt dabei unberechenbar. Auf der rechten Seite sorgt Bukayo Saka für ebenso viel Gefahr, sodass Abwehrreihen kaum Entlastung finden. Jede Ecke kann zum Albtraum werden, egal von welcher Seite sie kommt. Diese doppelte Bedrohung zwingt die Gegner zu permanenter Wachsamkeit und raubt ihnen mit der Zeit die Nerven.
Seit der Einführung des VAR haben sich die Spielräume für Verteidiger im Strafraum drastisch verändert. Zerren, Klammern, verdeckte Checks: alles riskant, alles überprüfbar. Das spielt Arsenal in die Karten. Die Angreifer können sich freier bewegen, während die Verteidiger zögern. Diese Unsicherheit ist Teil der psychologischen Wucht, die Arsenals Ecken entfalten. Wenn die Zuschauer im Emirates Stadium bei jeder Flanke von Rice jubeln, spüren auch die Gegner die Anspannung.
Arsenal als europäischer Maßstab
Nicht nur in der Premier League, auch international sorgt die Standardstärke der Londoner für Aufsehen. Mit sechs Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze Englands und einer makellosen Champions-League-Bilanz wirkt Arsenal wie ein Team, das seine Schwächejahre endgültig hinter sich lässt.
Slavia Prags Trainer Jindrich Trpisovsky, der am Dienstag mit seinem Team gegen Arsenal antreten wird, brachte es auf den Punkt: "Arsenals Standards sind beeindruckend. So etwas habe ich noch nie gesehen. Sie bringen alles zusammen: Größe, Kraft, Timing, Kopfballstärke und das Spielverständnis von Rice."

Gibt es ein Gegenmittel? Theoretisch ja, praktisch kaum. Der naheliegende Ansatz ist, die Ecken gar nicht erst zuzulassen. Doch das ist gegen ein dominantes Arsenal leichter gesagt als getan. Also bleibt der Versuch, Schlüsselspieler wie Gabriel auszuschalten. Viele Teams stellen mittlerweile gleich zwei Verteidiger auf ihn ab, doch das öffnet Räume für andere wie Calafiori oder Saliba.
Das Dilemma der Gegner: Jede Lösung produziert ein neues Problem. Arsenal hat die klassische Ecke zu einer modernen Kunstform erhoben. Und solange niemand den Code knackt, bleibt jeder Eckball der Gunners ein potenzieller Albtraum für ihre Gegner.
    