Das Verpassen der Europa-League-Plätze ist der traurige Tiefpunkt einer Saison, die geprägt war von Chaos, Fehlentscheidungen und enttäuschenden Leistungen. Milan belegt aktuell nur den neunten Platz in der Serie A, mit einem Rückstand von 18 Punkten auf den Stadtrivalen Inter und 19 Punkten auf den designierten Meister Napoli – eine Schmach für einen Klub, der 19 Meistertitel vorweisen kann und sich in der Liste der erfolgreichsten italienischen Vereine nur Juventus Turin und Inter geschlagen geben muss.
Dabei begann die Saison mit hohen Erwartungen. Der frühzeitige Ausstieg von Trainer Paulo Fonseca, der nur ein halbes Jahr überlebte, wurde noch als Kurskorrektur verkauft. Doch sein Nachfolger, Sergio Conceicao, erwies sich ebenfalls als Fehlgriff. Der Einfluss von Zlatan Ibrahimovic, der sich seit seinem Rücktritt in einer beratenden Rolle sieht und dabei lautstark seinen Führungsanspruch geltend macht, trägt nicht zur Stabilisierung bei – im Gegenteil. Seine Personalentscheidungen, so selbstsicher sie kommuniziert wurden, haben bisher keine Früchte getragen.
Probleme bei Milan: Finanzielle Schieflage und fragwürdige Transfers
Ein zentraler Grund für den Niedergang liegt in den strukturellen und finanziellen Problemen, die den Klub seit Jahren begleiten. Seit dem Verkauf durch Silvio Berlusconi im Jahr 2017 wechselten die Eigentümer mehrfach, ohne dass eine klare Vision oder nachhaltige Investitionspolitik zu erkennen war. Nach Li Yonghong und Elliott Management ist nun RedBird Capital Partners am Ruder, doch von langfristiger Stabilität fehlt weiterhin jede Spur.

Das Transfermanagement wirkte in dieser Saison besonders orientierungslos. Spieler wie der alternde Álvaro Morata oder der überforderte Kyle Walker wurden als Notlösungen geholt – beide sind mittlerweile wieder weg. Joao Felix, einst als Hoffnungsträger verpflichtet, enttäuschte mit nur einem Tor in 16 Spielen und war sinnbildlich für eine fehlgeleitete Kaderplanung. Auch Neuzugang Santiago Gimenez blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Lediglich Rafael Leão konnte mit 11 Toren und 10 Assists zumindest phasenweise überzeugen – in entscheidenden Momenten aber fehlte auch ihm die Durchschlagskraft.
Identitätsverlust und interne Unruhe
Ein weiteres Alarmsignal: Die Entlassung von Vereinsikone Paolo Maldini als Direktor. Für viele Fans war sie ein Zeichen des Verlusts jener Werte und Identität, die die Rossoneri über Jahrzehnte ausgezeichnet haben. Die berühmte Curva Sud mag sich von Maldinis Führungsstil distanziert haben, doch sein Abgang hat eine Lücke hinterlassen, die sportlich wie symbolisch nicht geschlossen werden konnte.
Dazu gesellen sich Unstimmigkeiten in der Chefetage. Zlatan Ibrahimovic tritt als lautstarker Strippenzieher auf, dessen Interviews eher für Schlagzeilen als für sportliche Klarheit sorgen. Die Außendarstellung des Vereins schwankt zwischen Überheblichkeit und Planlosigkeit – eine gefährliche Kombination.
Mit dem verlorenen Finale der Coppa Italia gegen Bologna – das den Norditalienern ihre erste große Trophäe seit über einem halben Jahrhundert einbrachte – verspielte Milan die letzte Chance auf einen versöhnlichen Saisonabschluss. Nun stellt sich eine zentrale Frage: Wer übernimmt in der kommenden Saison die Verantwortung auf der Trainerbank? Und noch wichtiger: Wer ist bereit, sich diesem zunehmend "vergifteten" Job zu stellen?
Die Aufgabe ist groß. Es braucht eine personelle, strategische und emotionale Neuausrichtung – von der Vereinsführung bis zur Mannschaft. Dass Milan einst ein leuchtender Stern auf dem europäischen Fußballhimmel war, ist unbestritten. Doch die Gegenwart ist trist – und die Zukunft ungewiss.
